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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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der Bordellbetreiber den Kopf. Wenn er nicht einen winzigen Moment lang gezögert hätte, wenn er nicht wieder kurz auf Isobel geblickt hätte, dann hätte Silversleeves sich vielleicht geschlagen gegeben. Doch er bemerkte es, und augenblicklich trat ein Ausdruck von Verschlagenheit in sein Gesicht.
    »Was wird hier gespielt?« fragte er laut. »Was verbergt Ihr vor mir? Versucht Ihr etwa, mich zu betrügen?« Er trat auf den Bordellbesitzer zu. Im Licht der glühenden Kohle warfen die Pickel kleine Schatten auf sein Gesicht. »Ich könnte Euch einigen Ärger einbringen. Ich könnte Euer kleines Fest erwähnen, das Ihr in der nächsten Woche geplant habt.«
    Dieses Fest sollte für einige Parlamentarier abgehalten werden, und natürlich sollten auch Mädchen bereitgestellt werden. Es war gegen das Gesetz, und der Bordellbetreiber hatte vergessen, daß Silversleeves davon wußte. »Ich will keinen Ärger«, murmelte er.
    »Also krieg' ich nun das Mädchen oder nicht?«
    Der Bordellbetreiber zuckte mit den Schultern. »Sie ist keine Jungfrau mehr; heute nachmittag hat sie einen Kunden gehabt.«
    »Das ist mir egal. Wer war es denn?«
    »Der Kaufmann Bull«, antwortete der Bordellbetreiber widerstrebend.
    Silversleeves kicherte. »Ach ja? Dieser alte. Mistkerl. Aber jetzt holt mir endlich das Mädchen!«
    »Es geht ihr nicht gut«, sagte Isobel Dogget. »Laßt sie in Frieden!«
    »Hat Bull sie ein wenig zu grob angefaßt?« fragte Silversleeves hämisch.
    »Das geht Euch gar nichts an. Laßt sie in Ruhe!« rief Isobel nun laut, und zwar an den Bordellbetreiber gewandt. Aber diesem reichte es nun auch. »Jetzt mach schon, und hol sie runter!« befahl er dem Mädchen.
    Als Isobel in das kleine Dachkämmerchen kam, probierte Joan eben ein gestreiftes Untergewand an, das Margery ihr für ihren Auftritt am nächsten Tag leihen wollte. Als Isobel das anstehende Problem erklärte, fing Margery zu fluchen an, und Joan wurde kreidebleich. »Wir müssen uns etwas einfallen lassen«, sagte Margery.
    Die zwei Schwestern setzten sich auf die Matratze und begannen zu murmeln. Bald lachten beide rauh. »Wir haben einen Plan«, sagte Isobel, oder vielleicht war es auch Margery.
    »Wir versprechen, daß sie kommen wird«, sagten die Schwestern und setzten sich, Dionysius in die Mitte nehmend, auf eine Bank. »Aber jetzt brauchen wir erst mal was zu essen«, sagte Margery. »Und zu trinken«, sagte Isobel.
    Der Bordellbetreiber runzelte die Stirn. In den Freudenhäusern sollten eigentlich keine Speisen und Getränke verkauft werden, um das Geschäft der Gasthausbesitzer nicht zu schmälern. Aber als Silversleeves ein paar frischgeprägte Münzen in seiner Hosentasche klimpern ließ, verschwand der Bordellbetreiber zögernd und tauchte schließlich mit einem Krug voll Wein sowie Brot und einer Schüssel mit Rindfleisch auf. Er stellte alles auf den Tisch. Silversleeves ließ seine große Nase über allem kreisen und atmete genießerisch ein. Dann machte er sich darüber her.
    Das Mädchen war noch immer nicht aufgetaucht, aber es war ihm egal. Er verließ sich auf das Versprechen der Schwestern, daß sie kommen würde. Sie würden es nicht wagen, ihn zu betrügen. Es sei denn, sie versuchten, ihn unter den Tisch zu trinken, da sie ja so entschlossen zu sein schienen, dieses junge Ding vor ihm zu beschützen. Dieser Gedanke kam ihm, als die Mädchen ihm fleißig nachschenkten, aber er lächelte nur darüber, denn er war stolz auf seine Trinkfestigkeit. Er verschlang das Rindfleisch und auch noch einen großen Apfelkuchen. Aber dann befahl er Margery, das Mädchen aufzutreiben.
    Bald kehrte Margery lächelnd zurück. »Sie kommt gleich«, versprach sie wieder und schenkte allen Wein nach. Bald war der zweite Krug geleert. Wieder regten sich Argwohn und Wut bei Silversleeves. »Jetzt hol' ich sie selbst«, knurrte er.
    Doch da kam sie tatsächlich, und Silversleeves blieb schier die Luft weg. Sie trug feine Sandalen und ein Nachthemd aus knallroter Seide, das ihre kleinen Brüste kaum bedeckte, mit einem langen Schlitz an der Seite, durch den man ihr blasses, wohlgeformtes Bein sehen konnte. Es war Isobels bestes Nachthemd. Selbst der Bordellbetreiber mußte bei diesem Anblick schlucken. Joan lächelte Silversleeves an, ging tapfer zu ihm hin und setzte sich auf seinen Schoß. »Ich habe Hunger«, verkündete sie.
    Silversleeves wurde ruhiger. Das Mädchen war ja wirklich ein Leckerbissen. »Bringt uns noch etwas zu essen«, rief er, »und

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