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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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dieser Stelle ist der Fluß etwas schmaler«, berichteten sie, »und das Kiesbett liefert einen festen Untergrund.« Die Gezeitenströmung reichte noch über diesen Punkt hinaus, so daß Schiffe je nach dem Stand der Gezeiten leicht flußauf- oder flußabwärts gelangen konnten; die Stelle zwischen den beiden Hügeln, an denen der kleine Bach in den Fluß mündete, war ein idealer natürlicher Hafen für kleinere Schiffe. Die römischen Bauplaner nannten den Fluß Tamesis und den Hafen Londinium, eine latinisierte Form des bisherigen Namens.
    Mit der Zeit wurde dieser Ort zu einem Handelszentrum, und von der Brücke aus führten Straßen in alle Himmelsrichtungen.
    Die römischen Straßen hatten eine Schlüsselstellung. Bei ihrer Errichtung achtete man nicht auf das uralte System prähistorischer Wege; die schnurgeraden römischen Schotterstraßen führten über die ganze Insel und verbanden die Stammeszentren mit den Verwaltungsstützpunkten. Von den weißen Klippen in Dover auf der südöstlichen Halbinsel Kent hinauf durch Canterbury und Rochester verlief die Watling Street. Ostwärts führte eine Straße nach Colchester. Richtung Norden führte eine große Straße nach Lincoln und York; im Westen, hinter Winchester, verband ein Straßennetz Gloucester mit dem römischen Heilbad Bath mit seinen heilkräftigen Quellen und den hübschen Marktstädten im warmen Südwesten.
    Im Sommer 251 war es ruhig in der Provinz Britannien, so, wie es in den letzten zweihundert Jahren meist gewesen war. In der Anfangszeit der römischen Besatzung hatte ein kurzer, heftiger Aufstand unter der Führung der britannischen Königin Boudicca die Provinz erschüttert, und lange hatte das stolze Volk von Wales im Westen der Insel Unruhen angezettelt, während im Norden die wilden Pikten und Schotten sich niemals völlig unterwarfen. Kaiser Hadrian hatte sogar einen großen Wall von Küste zu Küste errichten lassen, um sie in ihren Mooren und Hochlandburgen einzuschließen. In letzter Zeit war es auch notwendig gewesen, zwei starke Seefestungen zu errichten, um die lästigen germanischen Piraten abzuwehren. Doch in dem ausgedehnten Reich, in dem Barbaren immer wieder die Grenzen in Osteuropa durchbrachen, in dem es permanente politische Auseinandersetzungen gab und in dem in eben diesem Jahr nicht weniger als fünf Kaiser sich an den verschiedensten Orten hatten ausrufen lassen, war Britannien ein Hort des Friedens und des bescheidenen Wohlstands.
    Julius vergaß fast die Gefahren ihres Tuns, als er darüber nachdachte, was der Mann mit der Feile eben zu ihm gesagt hatte. Sextus war zwar sein Partner und Freund, doch er konnte auch ziemlich gefährlich sein.
    Sextus war ein dunkelhäutiger Mann Ende Zwanzig mit einem sehr markanten Unterkiefer. Sein dunkles Haupthaar begann bereits schütter zu werden. Er war glattrasiert, oder vielmehr hatte er sich die Barthaare ausgezupft, wie es die Römer taten, bis auf seine dichten, lockigen Koteletten, auf die er stolz war und die manche Frauen sehr attraktiv fanden. Sein gutes Aussehen wurde nur dadurch beeinträchtigt, daß die Mitte seines Gesichtes irgendwie zusammengequetscht wirkte, so daß seine dunkelbraunen Augen wie unter einem Vorsprung hervorblickten. Seine schweren Schultern ließen ihn beim Laufen leicht schwanken.
    »Das Mädchen gehört mir! Laß deine Finger davon!« Diese Warnung war völlig unvermittelt gekommen. In Sextus' Stimme lag etwas Endgültiges, das Julius zeigte, daß er vorsichtig sein mußte. Doch es überraschte ihn auch. Wie konnte Sextus es nur ahnen?
    Sextus nahm Julius oft auf einen Umtrunk mit und stellte ihm Frauen vor, er war ihm immer ein Mentor, nie ein Rivale gewesen. Dies war etwas Neues und barg eine Menge Risiken. Seine Partnerschaft mit Sextus bei ihrem illegalen Geschäft war die einzige Möglichkeit, wie Julius an das zusätzliche Geld kommen konnte, das er haben wollte. Dennoch war er sich nicht sicher, ob er dem Befehl gehorchen würde. Außerdem hatte er den Brief bereits abgeschickt.
    Julius war zwanzig und nicht besonders groß, doch seine ärmellose Tunika ließ einen gestählten Brustkorb erkennen. Julius war sehr stolz auf seinen Körper. Unten am Hafen, wo er die Boote auslud, hatte er sich den Ruf eines vielversprechenden Boxers erworben. Doch Julius wies auch noch zwei auffälligere Besonderheiten auf. Die erste hatte er mit seinem Vater gemeinsam; in seinen dichten schwarzen Stirnlocken gab es eine weiße Haarsträhne. Die zweite bestand

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