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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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darin, daß seine Finger mit Schwimmhäuten verbunden waren. Dies störte ihn jedoch nicht weiter, auch wenn sie ihm am Hafen den Spitznamen »Ente« gegeben hatten. Die Frauen mochten ihn, er hatte etwas erfrischend Unschuldiges an sich, und seine blauen Augen strahlten Heiterkeit und Lebensfreude aus.
    Im Hafen von Londinium, in dem Schiffe mit Olivenöl aus Spanien, mit Wein aus Gallien, Glasprodukten vom Rhein und Bernstein aus den germanischen Ländern an der Ostsee anlegten, tummelten sich die verschiedensten Menschen. Es gab alle möglichen Arten von Kelten, blonde Germanen, Latiner, Griechen, Juden und olivenhäutige Männer von den südlichen Küsten des Mittelmeers sowie Sklaven, die von irgendwoher stammten. Die römische Toga tauchte neben einem farbenprächtigen afrikanischen Gewand auf oder neben einem, das ägyptische Verzierungen aufwies. Das römische Reich war kosmopolitisch.
    Dennoch war die junge Frau ungewöhnlich. Vor zwei Monaten hatten er und Sextus sie zum erstenmal gesehen. Und wenn man erst einmal einen Blick auf sie geworfen hatte, konnte man sie nicht mehr so leicht vergessen. Sie war zwei Jahre älter als Julius und beinahe ebenso groß wie er. Sie hatte eine helle Haut und blondes Haar, das sie in krausen, enganliegenden, kurzen Locken trug. Dies und ihre etwas breite Nase wiesen auf ihre dunkelhäutigen Vorfahren hin. Ihre Großmutter war als Sklavin aus der afrikanischen Provinz Numidia nach Gallien gelangt. Ihre blauen Augen hatten die Form von großen Mandeln und wirkten sonderbar verschleiert. Wenn sie sich bewegte, strahlte ihr schlanker Körper eine wundervolle, rhythmische Anmut aus. Böse Zungen behaupteten, ihr Mann habe sie in Gallien gekauft, aber niemand wußte es genau. Sie hieß Martina. Als sie sechzehn war, hatte der Kapitän eines Handelsschiffes beschlossen, sie zu heiraten. Er war damals fünfzig gewesen, ein Witwer mit erwachsenen Kindern. Im letzten Jahr war er von Gallien nach Londinium gekommen.
    Julius kannte den Kapitän vom Sehen. Er war ein großer, kräftiger Mann; sein Kopf war völlig kahl; ein Netz von winzigen zerplatzten Adern auf seinem ganzen Körper und dem Gesicht ließ seine Haut blau wirken. Er lebte mit der jungen Frau in einem kleinen Haus am Südufer des Flusses.
    Im Hafen war immer viel los. Trotz seines Alters war der Kapitän noch sehr aktiv und weilte oft in Gallien. Momentan war er nicht da. Julius hatte guten Grund, sich Hoffnungen zu machen.
    Auch Sextus kam bei Frauen ziemlich gut an. Er war verheiratet gewesen, doch seine Frau war gestorben, und nun schien er keine große Eile zu haben, wieder zu heiraten. Er hatte Julius gesagt, daß er es auf die junge Frau des Kapitäns abgesehen habe; er hatte herausgefunden, daß der Kapitän oft auf See weilte und wie er nachts unbeobachtet ins Haus gelangen konnte. Doch die junge Frau zögerte noch.
    Julius war sehr überrascht gewesen, als Martina eines Tages, als sie sich von ihm und Sextus an der Brücke verabschiedete, seine Hand fest drückte. Am nächsten Tag hatte sie unten am Kai ganz nebenbei bemerkt: »Frauen mögen Geschenke!« Obwohl sie dies zu Sextus sagte, blickte sie dabei Julius an.
    Von dem Moment an begann er, ständig an sie zu denken. Wenn er die Boote entlud, schienen ihre rauchblauen Augen in der Takelage herumzuschweifen. Er stellte sich ihren rhythmischen Gang vor, der ihm unendlich verführerisch vorkam. Er wußte, daß Sextus seinem Ziel immer näher kam, doch der Kapitän war bis vor kurzem zu Hause gewesen, und Julius war sich sicher, daß sein Freund sie noch nicht erobert hatte. Und je mehr er über sie nachgrübelte, desto heftiger wurde seine Verliebtheit. Dieser wunderbare Moschusduft – war das etwas, mit dem sie sich besprühte, oder entströmte er ihrem Körper? Er sehnte sich danach, ihr kurzes Haar zu berühren, er dachte unentwegt an ihren schlanken, biegsamen Körper.
    Und Sextus' Warnung? Es war nicht Julius' Art, kühle Berechnungen anzustellen. Er war zu lebensfroh, um die Risiken aller seiner Taten abzuwägen. Außerdem war er ein unverbesserlicher Optimist.
    Das dicke Mädchen saß an der Straßenecke. Es wollte nicht dort sitzen, doch man hatte es ihm befohlen. Es hatte zwei Stühle mitgebracht, auf die es sich langsam niedergelassen hatte. Sie hatten ihm einen Laib Brot, ein Stück Käse und eine Tüte Feigen mitgegeben. Nun saß es letztlich doch ganz zufrieden in der warmen Sonne. Die Brotkrümel und Feigenschalen zu seinen Füßen ließen

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