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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Vaters!« befahl er ihm. Nachdem Segovax diesem Befehl nachgekommen war, nahm der alte Mann die Waffe und zerschmetterte das Eisenschwert mit einem wuchtigen Hieb auf den Stein in zwei Teile. Das Zerbrechen der Schwerter war eine Kulthandlung bei den Kelten.
    Dann nahm der Druide die beiden Teile des Schwertes, legte einen Arm um den Jungen und schleuderte mit der anderen Hand das zerbrochene Schwert weit in den Fluß hinein.
    »Beende deine Trauer!« sagte der Druide leise. »Jetzt ist der Fluß dein Vater.«
    Der Junge brachte kein Wort heraus, doch er verstand und wußte, daß der Druide recht hatte.

LONDINIUM
251 n. Chr.
    DIE ZWEI MÄNNER saßen sich gegenüber an einem Tisch. Beide waren schweigend in ihre gefährliche Arbeit vertieft. Es war ein bedrückend heißer Sommernachmittag in den Iden des Juni, wie es der römische Kalender besagte. Wie die meisten gewöhnlichen Leute trugen die beiden Männer nicht die lästige römische Toga, sondern ein einfaches, knielanges Gewand aus weißem Wollstoff, das mit Spangen an den Schultern zusammengehalten und an der Taille mit einem Gürtel geschnürt wurde. Der größere Mann trug noch einen kurzen Umhang aus demselben Material. Beide hatten lederne Sandalen an den Füßen.
    Der bescheidene Raum war typisch für dieses Viertel, in dem sich strohgedeckte Holzhütten und Werkstätten um die Innenhöfe der kleinen Straßen drängten. Die Lehm- und Strohwände waren weiß verputzt; in einer Ecke wies eine Werkbank mit verschiedenen Meißeln und einer Axt darauf hin, daß der Bewohner ein Zimmermann war.
    Es war ruhig bis auf das sanfte Schleifgeräusch, das die Metallfeile in der Hand des größeren Mannes verursachte. Draußen am Ende der schmalen Gasse stand ein Wachposten, eine sinnvolle Vorsichtsmaßnahme, denn auf ihr Tun stand die Todesstrafe.
    Auf den beiden Kieshügeln am Flußufer befand sich nun eine große, von einer Mauer umgebene Stadt. Londinium war ein hübscher Ort. Die beiden Hügel waren in sanft abfallende Terrassen verwandelt worden. Am Gipfel des einen stand ein stattliches Forum. Von dort aus ging eine breite Straße hinunter zu einer stabilen Holzbrücke, die über den Fluß führte. Auf dem westlichen Hügel dominierte ein riesiges, ovales Amphitheater, und dahinter lag das Hauptquartier der militärischen Garnison. Am Flußufer gab es hölzerne Anlegestellen und Lagerhäuser, am Ostufer des Bächleins, das zwischen den beiden Hügeln floß, lagen die prächtigen Gärten des Statthalterpalastes. Und die ganze Anlage – die Tempel und Theater, die stuckverzierten Villen und die einfachen Häuser, die ziegelgedeckten Dächer und Gärten – war auf der landeinwärts gelegenen Seite von einer hohen Mauer umschlossen. Zwei große Straßen durchquerten die Stadt von Westen nach Osten. Eine der beiden nahm am oberen der beiden Tore in der westlichen Mauer ihren Anfang, führte über die Gipfel der beiden Hügel und verließ die Stadt durch ein Tor im Osten. Die andere führte durch das unterhalb gelegene Tor im Westen in die Stadt, lief am oberen Teil des westlichen Hügels entlang und dann den Hang hinunter, überquerte den Bach und kam am Palast des Statthalters vorbei. Der Uferbereich war etwa eine Meile lang; es lebten um die fünfundzwanzigtausend Menschen in der Stadt, die bereits seit etwa zweihundert Jahren an diesem Fleck stand.
    Die Römer hatten sich Zeit gelassen, Britannien zu besetzen. Nach der Schlacht am Fluß war Cäsar kein drittes Mal gekommen. Zehn Jahre später war der große Eroberer im Senat in Rom erdolcht worden. Ein weiteres Jahrhundert war vergangen, bevor 43 n. Chr. Kaiser Claudius über den schmalen Seeweg gekommen war, um die Insel zu zivilisieren. Die Besetzung war rasch und gründlich erfolgt. Sofort wurden militärische Stützpunkte in den wichtigsten Stammeszentren gegründet. Bald interessierten sich die gewitzten Römer für den Ort, der unter dem keltischen Namen Londinos bekannt war. Es war kein Stammeshauptsitz, doch es war nach wie vor der erste Ort, an dem man den Fluß gut überqueren konnte, und deshalb besonders geeignet, um hier einen Verkehrsknotenpunkt anzulegen.
    Doch die Römer interessierten sich nicht so sehr für die Furt, sondern eher für einen anderen Ort in der Nähe. Als die römischen Planer die beiden Kieshügel am Nordufer und die auf der gegenüberliegenden Seite in den Strom hineinragende Kieslandzunge sahen, erkannten sie sofort, daß dies die perfekte Stelle für eine Brücke war. »An

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