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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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seinem Bruder geführt hatte. Peter hatte Seelenqualen durchlitten. »Ich verweigere der Kirche zwei Märtyrer, wenn wir das tun«, hatte er bekannt. »Vielleicht werde ich meine Seele verlieren.« Thomas überlegte, wie man wohl das Opfer eines Mannes nennen sollte, der nicht nur bereit war, sein Leben für seinen Freund hinzugeben, sondern auch seine unsterbliche Seele?
    Die Gestalt am Fenster erhob sich, nickte Thomas zu und legte sich auf das Bett. Das war der Augenblick, den Thomas gefürchtet hatte. »Du mußt«, sagte die liegende Gestalt. Thomas trat an das Bett, nahm ein Laken, bedeckte damit das Gesicht des Liegenden und begann zu pressen. Und er erkannte es als Gnade Gottes, daß in diesem Augenblick eine andere Hand eingriff. Thomas rief die Wachen. Nach ein paar Minuten kamen zwei Yeoman Warders und wurden Zeugen der Geschehnisse.
    Der Rechtsgelehrte auf dem Bett litt an einem schweren Schlaganfall. Er rang nach Atem, sein Gesicht war verfärbt, er versuchte, sich aufzusetzen, fiel jedoch zurück, der Mund stand offen, das Gesicht wirkte fremd in seinem Verfall. Einer der Yeomen trat zu ihm und wandte sich dann an Thomas. »Er ist tot.« Leiser fügte er hinzu: »Besser so, als das, was ihn erwartet hätte.« Er machte kehrt. »Ihr könnt nichts tun, Sir«, meinte er freundlich. »Wir werden dem Burghauptmann Mitteilung machen.« Rücksichtsvoll führte er die anderen Wächter hinaus, damit Thomas einen Augenblick allein sein konnte.
    Und so hörte niemand, wie Thomas, als er den Leichnam berührte, flüsterte: »Gott segne dich, Peter.«
    Es war Morgengrauen, als Rowland Bull erwachte. Langsam kam er zu Bewußtsein; sein Kopf fühlte sich schwer an. Er runzelte die Stirn. Warum trug er eine Mönchskutte? Er blickte um sich. Wo war er?
    »Du bist im Charterhouse«, sagte Thomas leise. »Ich sollte dir wohl alles erklären.«
    Es war eigentlich nicht schwierig gewesen. Der Schlaftrunk, den Peter ihm gegeben hatte, hatte schneller gewirkt als erwartet. Rowlands und Peters Kleidung zu vertauschen hatte nicht mehr als ein paar Minuten gedauert. Ein Leichtes war es auch gewesen, Peter aus dem Tower zu bringen. Die einzige Schwierigkeit hatten sie vorhergesehen – wie sollte man einen bewußtlosen Mann ins Charterhouse bringen? Diese kurze Strecke hatte Daniel Dogget ihn auf seinen starken Armen getragen.
    »Du würdest staunen, wenn du wüßtest, wie ähnlich Peter dir gesehen hat, als er deine Kleider trug«, fuhr Thomas fort. »Und wenn ein Mann stirbt, verändert sich sein Aussehen ohnehin.«
    »Peter ist tot?«
    »Ich sollte ihn töten. Wir wollten es so aussehen lassen, als sei er im Schlaf gestorben, und es war gut, daß man dich bereits für krank gehalten hat. Aber dann, gerade als ich anfing, ihn zu ersticken… hat ihn Gott der Herr zu sich genommen. Ein Schlaganfall.«
    »Aber was ist mit mir? Was soll ich tun?«
    »Das ist Peters Botschaft, die ich dir überbringe. Er will, daß du lebst. Deine Familie braucht dich. Er ruft dir seine Worte ins Gedächtnis: Du hast die Märtyrerkrone bereits verdient, weil du bereit warst zu sterben. Doch er hat dich daran gehindert.«
    »Daß er den Eid geleistet hat, ist also…?«
    »Ist ein Teil des Plans. Pater Peter Meredith wird verschont, und du mußt nun seine Stelle einnehmen. Es wird nicht allzu schwer sein. Für die Mönche bist du ein Ausgestoßener, sie werden dich meiden. Die Beauftragten des Königs haben kein Interesse an dir, und außerdem hält man dich für schwerkrank. Bleib also in dieser Zelle. Will Dogget wird sich um dich kümmern. Nach einer Weile kann ich es wahrscheinlich einrichten, daß du anderswohin gehst.«
    »Und Susan? Die Kinder?«
    »Du mußt Geduld haben«, antwortete Thomas. »Um deiner und ihrer Sicherheit willen muß sie wirklich glauben, daß du tot bist. Später werden wir sehen, was man tun kann. Aber noch nicht gleich.«
    »Du hast an alles gedacht.«
    »Nicht ich. Peter.«
    »Ich stehe in eurer Schuld. Ihr habt euer Leben aufs Spiel gesetzt.«
    »Ich habe mich schuldig gefühlt«, erklärte Thomas. »Will Dogget hat es getan, weil Peter ihn darum gebeten hat; der alte Mann hat ihn geliebt. Und Daniel – sagen wir, er schuldete mit einen Gefallen.«
    Rowland seufzte. »Ich nehme an, ich habe keine Wahl.«
    »Peter hat dir noch eine Nachricht hinterlassen«, fügte Thomas hinzu. »›Sag ihm, er soll nur eine Zeitlang Mönch bleiben. Dann muß er zu seiner Frau zurückkehren‹, hat er mir aufgetragen. Verstehst du, was

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