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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Drei der ältesten Mönche waren vor kurzem fortgebracht worden, aber nicht in den Tower, sondern in ein gewöhnliches Gefängnis. Pater Peter befand sich in einer seltsamen Lage. Da er krank war, blieb er ohnehin abgeschieden in seiner Zelle, doch die übrigen Mönche wollten auch nichts mit ihm zu tun haben, und selbst die Leute des Königs hatten das Interesse an ihm verloren. Doch wie sehr Peter in der Gemeinschaft auch in Ungnade gefallen sein mochte, Will Dogget behandelte den ehemaligen Priester mit Ehrerbietung, und als Peter sich anschickte, auf den Wagen zu steigen, kniete er nieder und küßte ihm die Hand.
    Langsam fuhr er die beiden Brüder Meredith durch die Stadt zu ihrer traurigen Aufgabe. Sie wollten in den Tower, um Rowland zu besuchen. Am äußeren Tor des Towers wurde ihnen sogleich Zutritt gewährt, da man Thomas als Gefolgsmann Minister Cromwells erkannte. Den Wagen mußten sie stehenlassen, und nun wurde Dan klar, wie sehr sie ihn gebraucht hatten. Während der Fahrt schienen Pater Peters Kräfte wieder abgenommen zu haben. Nur mühsam stieg er vom Wagen herunter, war kaum fähig zu gehen, und Dan und Thomas, jeder an einer Seite, mußten ihn stützen und ihm über das Kopfsteinpflaster helfen. Als sie den Blutturm erreichten, war Peter außer Atem. Nachdem sich Thomas bei dem respektvollen Wachmann ausgewiesen hatte, stiegen sie langsam die Wendeltreppe zu Rowlands Zelle hinauf.
    Rowland Bull saß auf einer Bank, als sie eintraten, das letzte rote Leuchten des Sonnenuntergangs drang durch das schmale Fenster. Seine gestrige Ruhe war zum Teil dahin. Am Morgen hatte er sich wieder übergeben müssen. Er freute sich offenkundig, sie zu sehen.
    Während Peter und Rowland leise miteinander sprachen, beobachtete Dan sie interessiert. Bruder Peter kannte er mittlerweile ein wenig, doch Rowland hatte er kaum je gesehen. Als er sie nun so nebeneinander betrachtete, bemerkte er überrascht, die ähnlich sich die beiden Männer waren; durch seine Krankheit hatte der zuvor dickere Peter abgenommen und war auch im Gesicht schmäler geworden, so daß er und Rowland Brüder hätten sein können. Hätte er es nicht besser gewußt, so hätte er vermutet, der frühere Gemeindepriester sei der Familienvater und der Rechtsgelehrte mit seinem asketischen Gesichtsausdruck der Mönch.
    Schließlich entschloß sich Peter, die Neuigkeit mitzuteilen. »Ich habe den Eid geleistet.«
    Rowland hatte es nicht gewußt. Er hatte in den letzten beiden Tagen niemanden gesehen außer einem Wachmann, der ihm Essen brachte. Ernst sah er Peter an. »War es für dich auch so schrecklich?«
    »Willst du dasselbe tun?« fragte Thomas. »Ich glaube nicht, daß ich dich retten kann, aber da Peter es auch getan hat, stimmt das den König vielleicht milder.«
    »Nein«, erwiderte Rowland. »Ich konnte ihn neulich nicht ablegen, und ich kann es jetzt auch nicht.«
    Lächelnd zog Peter unter seiner Soutane ein Fläschchen Wein und drei Becher hervor. Ein wenig zittrig schenkte er ein und reichte Rowland und Thomas ihren Becher. »Laßt uns ein letztes Mal zusammen trinken.« Er sah Rowland an. »Denk in der Stunde deines Todes daran, daß du es bist, nicht ich, der eine Märtyrerkrone verdient hat.«
    Sie tranken und sagten nichts mehr. Dann standen Peter und Thomas Meredith auf und taten das, wozu sie gekommen waren.
    Es war bereits dunkel, als Dan und Thomas mit dem Mönch aufbrachen. Er konnte nun fast gar nicht mehr gehen, so daß sie auf dem Weg zurück zum Tor sein volles Gewicht trugen. Als die Wachen Thomas sahen, öffneten sie nicht nur das Tor, sondern halfen ihnen auch, den Mönch auf den Wagen zu heben. Dann fuhr Dan zurück zum Charterhouse, während Thomas sich wieder umwandte. »Ein trauriger Abend«, sagte er zu dem Yeoman Warder, der das Tor bewachte. »Ich werde noch ein wenig bei dem armen Bull sitzen. Er sieht fast ebenso krank aus wie der Mönch.«
    An diesem Abend war im Tower alles still. Gefangene, Wächter und sogar die Raben schliefen. Die grauen Steinmauern und Türme ragten drohend in die Dunkelheit, kaum sichtbar im Sternenlicht – mit Ausnahme eines einzigen schwachen Kerzenschimmers, der aus dem Fenster einer Zelle drang, in der zwei Männer zusammen wachten. Als der Wärter einmal hereinkam, sah er Thomas brütend auf der Bank sitzen, während der Rechtsgelehrte am Fenster kniete und leise seine Gebete murmelte.
    Während Thomas so wartete, dachte er noch einmal an das Gespräch, das er vor drei Tagen mit

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