London
geboten hatten, war es Brauch, jedem Geistlichen seine religiösen Weihen zu nehmen und ihn so dem Schutz der Kirche zu entziehen, bevor man ihn der weltlichen Obrigkeit zur Hinrichtung übergab. Nun war das nicht mehr nötig, denn Heinrich war ja Gottes weltlicher und geistlicher Stellvertreter auf Erden. »Sie tragen das Priestergewand«, stellten die Schaulustigen mit einem erschrockenen Aufstöhnen fest.
König Heinrich hatte beschlossen, aus diesem Ereignis in Tyburn, wo bereits eine große Menschenmenge wartete, ein Spektakel für den Hof zu machen. Nicht nur er war anwesend, sondern auch die Botschafter Frankreichs und Spaniens. Über vierzig berittene Höflinge, die alle Masken trugen, begleiteten den König.
Die drei Prioren traten vor diese adlige Gesellschaft. Am Fuße des Galgens erhielten sie noch einmal die Möglichkeit zu widerrufen, doch alle drei weigerten sich. Man legte ihnen die Schlinge um den Hals, zog sie hoch und hängte sie; während sie noch bei Bewußtsein waren, ließ man sie wieder herunter und schnitt sie aus. Man zerrte ihnen die Eingeweide aus dem Leib, schnitt ihnen das Herz heraus, hackte ihnen Arme, Beine und Köpfe ab und schwenkte sie über den Häuptern der Gaffer, damit die Menge sie sehen konnte. Mit dem Gemetzel an diesen ersten christlichen Märtyrern, die die Oberhoheit des Königs nicht anerkannten, proklamierte Heinrichs Kirche von England ihre neue Autorität.
Peter war bei den Hinrichtungen anwesend, dann machte er sich auf den Weg zurück ins Kloster. Kurz darauf erschienen einige Diener des Königs mit einem in ein Tuch eingeschlagenen Päckchen. Als sie es auswickelten, sahen die Mönche, daß es der abgetrennte Arm ihres Priors war. Die Männer des Königs nagelten ihn an die Klosterpforte. Kurz nach Mittag kamen die Bevollmächtigten, um von der Gemeinschaft den Eid zu fordern; alle Mönche wurden zusammengerufen. Die Bevollmächtigten, darunter eine Reihe von Geistlichen, erklärten ihnen, die Schicklichkeit erfordere treuen Gehorsam gegenüber ihrem König. Alle Mönche weigerten sich – außer einem. Zu ihrem großen Erstaunen trat Pater Peter Meredith, der müde und krank aussah und nach den grauenvollen Ereignissen des Morgens anscheinend den Mut verloren hatte, nach vorn und leistete als einziger den Eid.
Minister Cromwell teilte Thomas Meredith mit, was geschehen war; und eigentlich hätte Thomas froh sein sollen. »Nicht nur, daß er lebt«, meinte Cromwell, »es gereicht Euch auch zum Vorteil. Ich habe dem König gesagt, daß der einzige Loyale dort Euer Bruder war.« Er zog eine Grimasse. »Dennoch wird er vielleicht nicht mehr lange auf dieser Welt weilen. Man hat mir gesagt, daß er sehr krank sei.«
Und so fand Thomas Peter auch vor, als er ein paar Stunden später das Charterhouse aufsuchte. Er hatte sich in seine Zelle zurückgezogen, wo Will Dogget sich um ihn kümmerte. Es schien ihm sogar schwerzufallen, sich von seinem Bett zu erheben, und nach ein paar Worten verließ Thomas ihn.
Es war der andere Besuch, vor dem er sich fürchtete. Lange Zeit blieb er zögernd vor dem Haus in Chelsea stehen, und erst als eines der Kinder zufällig herausgerannt kam und ihn entdeckte, war er gezwungen einzutreten. Als er endlich mit Susan allein war, mußte er ihr die Neuigkeit mitteilen. »Peter hat den Eid abgelegt. Ich war im Charterhouse und habe ihn besucht.« Eine lange Weile blieb sie stumm.
»Du meinst«, erklärte sie schließlich, »nachdem er Rowland in den sicheren Tod geführt hat, ist er nun selbst abtrünnig geworden. Er läßt Rowland allein sterben?«
»Ich glaube, Peter schämt sich. Ich versuche ihn zu verstehen.«
Sie schüttelte langsam den Kopf. »Das ist nicht genug.« Nach einer weiteren langen Pause fügte sie mit kummervoller Stimme hinzu: »Ich will Peter nie wiedersehen.«
Dan Dogget betete nicht oft, aber nun wandte er sich verstohlen an Gott. Wenn diese seltsame Sache vorbei war, hatte er seine Schuld bei Meredith beglichen. »Laß es nur bald sein«, bat er.
Die Sonne ging schon fast unter, als sie aufbrachen. Pater Peter hatte sich nicht wohl genug gefühlt, um die Fahrt am Nachmittag zu wagen, doch vor einer Stunde schien er wieder zu Kräften gekommen zu sein, und auf Thomas' Anweisung hin hatte Dan den kleinen Wagen an die Klosterpforte gebracht. Die Atmosphäre im Charterhouse war angespannt. Seit den Hinrichtungen am Morgen zuvor hatten Heinrichs Geistliche die Mönche fast unablässig mit ihren Tiraden traktiert.
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