London
er damit meint?«
»Ja«, erwiderte Rowland langsam. »O ja.«
Zahlreiche Greueltaten begleiteten die Errichtung der neuen anglikanischen Kirche unter Heinrich VIII. doch eine Hinrichtung im Juni empörte das Volk ganz besonders. Den Anlaß dazu hatte der Papst gegeben. Der energische Pontifex, der die europäischen Monarchen weiterhin drängte, den abtrünnigen englischen König zu entthronen, ernannte Bischof Fisher, der immer noch zusammen mit Morus im Tower gefangen war, zum Kardinal. König Heinrichs Wut war grenzenlos. »Wenn der Papst einen Kardinalshut schickt«, gelobte er, »wird es keinen Kopf mehr geben, auf den man ihn setzen kann.« Am 23. Juni wurde der fromme, grauhaarige Bischof von Rochester, müde und gebrochen, auf den Rasen des Towers von London geführt und enthauptet.
Zwei Wochen später folgte ihm der ehemalige Kanzler Thomas Morus auf das Schafott. Obwohl man wußte, daß der Beamte des Königs für seinen Glauben starb, betrachtete man sein Schicksal eher als politischen Sturz denn als religiöses Martyrium. Der unbedeutende Doktor Wilson blieb fast vergessen im Tower inhaftiert.
Drei der Mönche im Charterhouse wurden hingerichtet, die übrigen wurden ständigen Demütigungen unterworfen. In anderen Kartäuserklöstern legten die Mönche den Eid ab, und das Oberhaupt des Ordens in Frankreich sandte sogar eine Botschaft, sie sollten es ebenfalls tun. Kaum jemand nahm Notiz davon, als der feige Pater Peter Meredith auf Befehl des Stadthalters Cromwell aus dem Kloster geholt und in ein anderes Ordenshaus im Norden gebracht wurde. Will Dogget begleitete ihn.
Im Frühjahr 1536 kam es zu einem in zweifacher Hinsicht ironischen Ereignis. Königin Katharina, Heinrichs spanische Gattin, starb in Ostanglien. Hätte König Heinrich gewartet, wäre er frei gewesen für eine neue Heirat, ohne mit Rom brechen zu müssen. Zudem fiel Anna Boleyn, die zweite große Ursache der Ereignisse, nachdem auch sie nicht den erforderlichen männlichen Erben zur Welt gebracht hatte, in Ungnade und wurde hingerichtet. König Heinrich heiratete erneut, doch er führte die englische Kirche nicht zurück in den Schoß Roms. Es gefiel ihm, geistliches Oberhaupt zu sein, und zudem waren es beträchtliche Geldsummen, die er von der Kirche abzweigen konnte.
1538
An einem Morgen im Mai sahen sich die beiden Flemings über ihre kleine Bude hinweg düster an, dann blickten sie traurig auf das nun leerstehende Charterhouse, als wollten sie sagen: Du hast uns im Stich gelassen. Fleming und seine Frau bauten ihren Stand zum letztenmal ab; das Geschäft war vorbei. Cromwell war schuld daran, denn er hatte alle Klöster geschlossen.
Die Auflösung der Klöster war eine außergewöhnliche Maßnahme. Im Laufe der letzten beiden Jahre hatten Cromwell oder seine Leute die kleineren und dann auch die größeren Häuser im ganzen Land besichtigt. Manche wurden der Laxheit beschuldigt, andere wurden unter gar keinem Vorwand geschlossen. Der riesige, über Jahrhunderte angesammelte Landbesitz fiel auf diese Weise dem neuen geistlichen Oberhaupt der Kirche in die Hände. Zumeist verkaufte ihn Heinrich weiter, wobei er manchmal Freunden erlaubte, ihn zu günstigen Preisen zu erwerben. Etwa ein Viertel des Grundbesitzes in England wechselte den Besitzer, die größte Veränderung seit der normannischen Eroberung.
»Das hat auch die Finanzen des Königs umgestaltet«, bemerkte Cromwell befriedigt. Das Oberhaupt begann mit dem Bau von Nonsuch, einem weiteren riesigen Palast außerhalb Londons. Aber das war nicht alles. Die Gruppe der Reformer innerhalb der englischen Kirche hatte durch diese Befreiung von der Vergangenheit so an Stärke gewonnen, daß sie in diesem Frühjahr Heinrichs Erlaubnis erhielt, eine weitere Säuberung anzuschließen. »Wir müssen England vom papistischen Aberglauben befreien«, erklärten Cromwell und seine Freunde. Es wurde nicht alles entfernt, doch einige Wochen lang wurde im ganzen Land eine sorgfältige Auswahl von Bildern, Statuen und Reliquien vernichtet; man verbrannte Stücke des heiligen Kreuzes und schloß Heiligtümer. Sogar den juwelenbesetzten Reliquienschrein Thomas Beckets brach man auf und brachte das Gold und die Edelsteine in die königliche Schatzkammer.
All dieser Eifer hatte auch einen bedauerlichen Nebeneffekt, den selbst Cromwell eingestehen mußte. Die Klöster hatten zahllosen Armen Obhut und Trost geboten. Alte Männer wie Will Dogget hatten eine Bleibe gefunden, Hungrige waren an
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