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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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erst unter Elisabeths Herrschaft jene Forschungsreisen – in Wirklichkeit eine Mischung aus Piraterie, Handel und Besiedlung –, die zur Grundlage für Englands Begegnung mit der Neuen Welt wurden.
    Das herausragendste Ereignis unter ihrer Herrschaft fand statt, als Elisabeth, nachdem sie es dreißig Jahre lang vermieden hatte, größere Kriege zu führen, schließlich dazu genötigt wurde. Der Anlaß war religiöser Natur. Die Reformation hatte der katholischen Kirche einen gewaltigen Schlag versetzt, nun holte Rom zum Gegenangriff aus. Mit engagierten Orden wie den Jesuiten, sogar mit der gefürchteten Inquisition machte sich die Kirche daran, das Verlorene wiederzugewinnen, und ganz oben auf der Liste stand das abtrünnige England. Es bestand kein Zweifel, wo Elisabeths Sympathien lagen, und viele ihrer Untertanen, allen voran die strengen Puritaner, drängten sie noch weiter in das protestantische Lager. Der Papst, der schließlich wütend wurde, erklärte Englands Katholiken, daß sie der ketzerischen Königin nicht länger Treue schuldeten. Tatsächlich wünschte er, daß sie jemand entthronen würde. Eine Kandidatin war ihre katholische Cousine Maria, Königin von Schottland.
    Von den protestantischen Schotten vertrieben und in einer Burg im Norden Englands festgehalten, war sie ein offensichtlicher Brennpunkt für jegliche katholischen Intrigen. Unklug wie sie war, hatte man sie jedoch bei einem dieser Komplotte ertappt, und Elisabeth war gezwungen, ihre Hinrichtung zu befehlen. Aber es gab noch einen mächtigeren Kandidaten als die törichte Maria.
    Durch die Heirat mit Maria Tudor hatte König Philipp von Spanien gehofft, die englische Krone für das Haus Habsburg zu gewinnen. Nun meinte er, sie durch Eroberung erlangen zu können – eine Chance, dem wahren Glauben einen großen Dienst zu erweisen. »Es ist ein heiliger Kreuzzug«, verkündete er.
    Ende Juli 1588 stach von Spanien aus die größte Flotte in See, die die Welt je erblickt hatte. Es war die Aufgabe der Armada, eine riesige Armee an Englands Küste abzusetzen, gegen die Elisabeths bescheidene Miliz wehrlos sein würde. Philipp war sicher, daß jeder wahre Katholik in England sich erheben würde, um ihn zu unterstützen.
    Doch die Engländer bereiteten sich auf den Kampf vor. An den südlichen Häfen wurde jedes geeignete Wasserfahrzeug seeklar gemacht, überall entlang der Küste stellte man hohe Wachtürme auf, die das Herannahen der Armada signalisieren sollten. Philipp hatte die Katholiken falsch eingeschätzt. »Wir sind Katholiken, aber keine Landesverräter«, erklärten sie.
    Als die wuchtigen Galeonen den Ärmelkanal heraufkamen, erhob sich ein heftiger Sturm, und die Spanier, bedrängt von den beweglicheren englischen Schiffen, konnten ihre Formation nicht aufrechterhalten. Der Sturm hielt an und trieb die spanische Flotte bis an die felsigen Küsten Schottlands und Irlands hinauf; viele erlitten Schiffbruch. Nur ein Bruchteil kehrte zurück nach Spanien. »Die Hand Gottes hat uns errettet«, erklärten die Engländer, und künftig betrachtete man die römischen Katholiken als gefährliche Invasoren. Gott hatte bestimmt: England sollte ein protestantisches Inselreich sein.
    In London, dem Zentrum dieses vom Glück begünstigten Königreiches, herrschte geschäftiges Treiben wie nie zuvor. Von ferne betrachtet, sah die alte Ansiedlung mehr oder weniger genauso aus wie früher. Die mittelalterliche Stadt erhob sich immer noch auf ihren beiden Hügeln innerhalb der alten römischen Mauern, und an mehreren Stellen reichten die umgebenden Felder und das Sumpfland bis an die Stadttore heran. In der Stadtansicht fehlte jedoch der Kirchturm von St. Paul's, der vom Blitz getroffen worden war; nur ein niedriger viereckiger Turm blieb übrig. Der Tower im Osten hatte nun vier schimmernde Zwiebelkuppeln an seinen Ecken, so daß das Gebäude festlicher wirkte, wie ein ländlicher Tudorpalast.
    Innerhalb seiner Grenzen war London gewachsen. Die Häuser wurden höher gebaut; drei oder vier Stockwerke mit Fachwerk und Giebeln ragten über die schmalen Straßen und Gassen. Das alte Flüßchen Walbrook zwischen den beiden Hügeln war nun fast ganz unter Häusern verschwunden. Die umfriedeten Bezirke der alten Klöster, die König Heinrich aufgelöst hatte, wurden nun besiedelt. Teile der alten Klostergebäude waren Werkstätten; auf dem riesigen Bezirk der Blackfriars entstanden elegante Wohnhäuser. Die Bevölkerung wuchs, nicht weil die Familien

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