London
wollte etwas darstellen in der Welt, nichts anderes war ihm wichtig. Wenn die Welt eine Bühne war, wollte er eine bedeutende Rolle spielen, das ruhige alte Rochester genügte ihm nicht. Glücklicherweise hatte sein Vater ihm ein kleines Einkommen hinterlassen, von dem er als alleinstehender Gentleman ganz gut leben konnte. So war er nach London gekommen.
Doch wie wurde ein junger Mann zu einer Figur, die etwas in der Welt darstellte? Der königliche Hof war der sicherste Weg zu Rang und Vermögen. Aber dort drohten auch Scheitern und Erniedrigung, wie sein Vater und Großvater festgestellt hatten. Dann das Recht. Es gab im geschäftigen London mehr Prozesse denn je zuvor, und die besten Anwälte erwarben riesige Vermögen. Er war an die Inns of Court, die Wohn- und Arbeitsquartiere der englischen Juristenzunft, gegangen und hatte sein Studium fast beendet. »Aber das Recht ist für mich zu trocken und langweilig«, urteilte er. Seine Cousins, die Bulls, waren Brauer. »Ich werde mir nicht die Hände mit einem Handwerk schmutzig machen«, schwor er.
Er schrieb gerne Verse. »Ich werde also Dichter«, erklärte er. Aber um Dichter zu werden, brauchte man einen Mäzen, denn die Verleger zahlten nur einen Hungerlohn, selbst wenn sie Hunderte von Exemplaren druckten. Ein reicher Gönner jedoch, der erfreut war über elegante Verse, die ihm gewidmet waren und sein adliges Haus unsterblich machten, konnte in der Tat großzügig sein. Man sagte, der Earl of Southampton habe Shakespeare für sein Gedicht Venus und Adonis so viel bezahlt, daß der Mann sein Leben lang ausgesorgt hatte. Das einzige Problem bestand darin, daß Mäzene auch launisch waren. Der arme Spenser, kein geringerer Dichter als Will Shakespeare, hatte jahrelang am Hof herumgehangen und kaum einen Penny verdient.
Doch es gab das Theater. In Edmunds Kindheit hatte das Theater noch kaum existiert. Masken verkörperten bei religiösen Festen Bibelgeschichten, Komödianten sangen und tanzten im Hof eines Gasthauses wie dem »Georg Inn«, und natürlich wußte jeder gebildete Mann vom klassischen Drama der Antike. Aber erst seit kurzem hatten hohe Adlige es in Mode gebracht, kunstvollere Stücke zur Freude der Königin aufzuführen, indem sie Schauspieltruppen förderten. Ermutigt von ihren vornehmen Mäzenen, verlangten die Schauspieler bald nach richtigen Stücken; sie begannen Autoren zu engagieren, und innerhalb einiger Jahre hatte das Wunder des englischen Theaters begonnen.
Die Leute kamen in Scharen zu den Aufführungen, nicht nur am Hof, sondern auch in London. Die besten Schauspieler, zuvor kaum mehr als Vagabunden, wurden zu populären Helden. War ein Stück erfolgreich, gestand man dem Autor den größten Teil der Einnahmen einer Vorstellung zu. Und manche – darunter gelehrte Männer wie Ben Jonson – hatten für ihren brillanten Esprit die Bewunderung des Hofes gewonnen. Marlowe, der leider jung umgebracht wurde, hatte Tragödien in einer so klangvollen Sprache geschrieben, daß man ihn mit den alten Griechen verglich.
Und da war Shakespeare. Meredith mochte beide Shakespeare-Brüder. Ned, der kleinere Rollen recht gut spielte, traf er öfter; Will war so beschäftigt, daß man ihn immer nur flüchtig sah. Aber wenn er sich zu der Menge im Gasthaus gesellte, war er ein lustiger Zechkumpan. Er hatte mehrere Komödien geschrieben, die Anklang gefunden hatten, zudem ein paar Historienspiele über die Könige der Plantagenets. An Tragödien hatte er sich noch nicht versucht, mit einer Ausnahme – sein Stück Romeo und Julia wurde immer wieder gespielt, ganz London kannte es. Mit seinem fast kahlen, gewölbten Kopf hätte man Shakespeare für einen Gelehrten halten können, doch das war er nicht. »Ich kann nur ein wenig Latein und kein Griechisch«, gab er offen zu. Shakespeare war nur ein Schauspieler von bemerkenswertem Esprit. Meredith wurde das Gefühl nicht los, er selbst sei aus edlerem Holz geschnitzt und könne etwas Besseres zustande bringen.
Vor über einem Jahr hatte er angefangen zu schreiben, nachdem er einer Komödie ein paar Zeilen angefügt hatte, die gelobt wurden. Selbst erfolgreiche Autoren wie Shakespeare erledigten häufig solche kleineren Arbeiten. Ein paar Monate später ließ man ihn ein ganze Szene und dann noch eine weitere schreiben. Alle stimmten überein, daß er es großartig verstand, schlagfertige Antworten aus dem Munde geistreicher junger Kavaliere, wie er selbst einer war, zu verfassen. Und vor sechs Monaten
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