London
erklärte Dogget. Zur Zeit König Heinrichs hatte Dan Doggets jüngster Sohn, der bei seinem Onkel Carpenter gearbeitet hatte, mit dem Reparieren von Booten begonnen, und sein eigener Sohn, der gegenwärtige Leiter des florierenden Unternehmens, war ihm nachgefolgt und würde John eines Tages alles übergeben. John Dogget war zufrieden mit seinem Los. Jeden Tag konnte man ihn sehen, mit seiner weißen Haarsträhne und seinem fröhlichen Gesicht, wie er neben seinem rundlichen Vater arbeitete. Zwischen den Fingern beider Männer spannten sich feine Schwimmhäute, doch wurden sie dadurch bei ihrer Arbeit keineswegs behindert.
John war beliebt bei Männern und Frauen. »Wenn du eine Frau zum Lachen bringen kannst, hast du nie Schwierigkeiten«, hatte sein Vater ihm gesagt; und es gab in Southwark bereits eine Reihe von Frauen, die John zum Lachen gebracht hatte. »Ich lasse mir Zeit«, grinste er, wenn die Rede darauf kam, einen Hausstand zu gründen. In letzter Zeit war ihm jedoch eine Möglichkeit in den Sinn gekommen: Jane Fleming vom Schauspielhaus. Sie gefiel ihm, und sie schien Feuer zu haben. Daß sie anscheinend nur Augen für Meredith hatte, entmutigte den jungen Bootsbauer nicht. Es gab eine Menge anderer Mädchen, und Meredith selbst war vielleicht gar nicht so besonders interessiert an Jane. Daher beschloß er, mehr über den gutaussehenden Kavalier herauszufinden, und schloß Freundschaft mit ihm.
»Ich werde Eure Hilfe brauchen«, erklärte er und ging voraus in den hinteren Teil der Werkstatt, wo er auf einen Bretterstapel zeigte. Meredith half ihm, die Planken zu entfernen. Ebenso breit wie die Rückseite des Gebäudes, sorgfältig unter Decken verborgen, war ein großer Umriß zu erkennen. Schließlich stellte Dogget die Lampe auf ein Faß und zog die Hüllen herunter. Das flackernde Licht bot Meredith einen erstaunlichen Anblick.
Es war gut zehn Meter lang. Vorne waren Bänke für vier Ruderpaare; die langen, klinkergebauten Außenplanken schwangen sich wie bei den Langschiffen der Wikinger in alter Zeit zu einem anmutigen Bug empor. Achtern, wundervoll geschnitzt und vergoldet, war eine große Kabine, deren Samtvorhänge und Innenausstattung in bestem Zustand waren. »Das ist König Heinrichs Barke«, erklärte Dogget. »Sie gehört mir.«
Kurz vor dem Ende seines langen Lebens war Dan Dogget auf das alte Gefährt gestoßen, das damals in einem traurigen Zustand war. Es war keine der großen Prunkbarken, sondern eines der täglich benutzten Boote, die der verschwenderische Monarch an seinen Wasserpalästen unterhalten hatte. Unter Elisabeths Herrschaft, als das Geld knapp war, war es jahrelang unbenutzt dagelegen, bis der Bootsmeister Anweisung bekam, es zu verkaufen. Dogget hatte es gekauft, in die Werkstatt seines Sohnes gebracht, und da sein Enkel John gerade geboren war, hatte er erklärt: »Es ist für ihn.«
Jahr um Jahr, wenn die Arbeit des Tages getan war, hatten Vater und Sohn es dann liebevoll repariert, hier eine Planke ausgetauscht, dort ein wenig vergoldet. Nicht nur Holz und Vergoldung hatten sie aufgefrischt, sondern auch das kostbare Material innerhalb der Kabine, bis schließlich in den letzten fünf Jahren nichts mehr zu tun war, als es in all seiner alten Pracht anzusehen und es aufzubewahren wie den Schatz in einem Tempel.
»Ein Jammer, daß es nie benutzt wird«, brach Dogget das Schweigen. John Doggets königlicher Schatz, für den alltäglichen Gebrauch zu breit und zu groß, aber wiederum nicht groß genug, um als eine der Barken der Stadtgilden zu dienen, lag hier wie eine nicht abgeholte Braut. »Ich vermute, Euch fällt auch nichts ein?« fragte John.
Meredith blickte das Boot voll Staunen an. »Nein«, meinte er, »aber ich werde es versuchen.«
Am nächsten Morgen traten William Bull und Edmund Meredith durch den alten Torweg auf das Gebiet am Fluß mit seinen Grünflächen und Innenhöfen, das heute noch als Blackfriars bekannt ist, und gingen zu der Halle, zu der Edmund den Schlüssel hatte.
Das Blackfriars-Theater war beeindruckend. Unten in der Mitte der geräumigen rechteckigen Halle waren Reihen von Holzbänken mit Rückenlehnen aufgebaut, an den Seiten wurde sie von überdachten Galerien umgeben. Die Bühne, die nur ein wenig erhöht war, bildete eine breite Plattform, die quer zu dem einen Ende der Halle verlief, so daß Galane wie Edmund an den Seiten entlang vor den Galerien auf Stühlen sitzen und so die elegante Zwanglosigkeit des Hofes, wo die
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