London
etablieren. Viele Leute im elisabethanischen London schworen, Gentlemen zu sein. In den alten Zeiten hatten solche Männer der Kaste der Ritter angehört, und Kaufleute erwarben Landsitze, um Eingang in die adlige Gesellschaft zu finden. Auch galten jene, die in Oxford und Cambridge den Titel des Magisters erworben hatten, und die Rechtsanwälte der Inns of Court als Gentlemen, denn Bildung mußte respektiert werden. Am besten jedoch war es, als Edelmann geboren zu sein. Edmund war als Edelmann geboren, da sein Vater und sein Großvater Höflinge gewesen waren. Will Shakespeare war das nicht.
»Und trotzdem«, hatte Edmund Jane erklärt, »hat er die Absicht, sich nicht nur zum Gentleman machen zu lassen, sondern auch zum Edelgeborenen!« Manche glaubten, Will Shakespeare wolle sein Glück machen und sich als Landedelmann zurückziehen, und es ging das Gerücht, er wolle ein großes Haus und etwas Land in seinem Geburtsort Stratford kaufen, doch Edmund hatte durch seine Freunde aus dem Rechtswesen noch etwas anderes herausgefunden.
»Sein Vater ist ein Kaufmann, der geschäftlich in Schwierigkeiten geraten ist. Er hat vor zwei Jahren um ein Wappen ersucht, um ein Gentleman zu werden, doch es wurde ihm verweigert. Was tut also Will Shakespeare? Er geht zum Wappenamt und stellt ein neues Gesuch. Es wundert mich, daß sie einen Schauspieler in Erwägung gezogen haben – ich wette, das hat Will eine hübsche Stange Geld gekostet –, aber egal, sie haben es getan. Nur daß man das Wappen nicht Will zuerkennt, sondern seinem Vater! Daher kann er nun zurück nach Stratford gehen und den Anspruch erheben, edel geboren zu sein. Ist das nicht ein großartiger Witz?«
Wie dem auch sei, wenn Will Shakespeare genug Geld hatte, um all das zu unternehmen, dann konnte er es sich wahrscheinlich jederzeit leisten, sich in Stratford zur Ruhe zu setzen. »In einem Jahr wird er fort sein«, prophezeite Edmund. Jane wußte, daß ihr Vater und manche der Chamberlain's Men ebenso dachten. Würde dann Meredith der bekannteste Bühnendichter sein? Und würde er sich noch für sie interessieren, wenn er erfolgreich war?
Cuthbert Carpenter schlich sich nach Hause in der Hoffnung, niemand habe ihn gesehen. Immerhin hatte er einen Umweg zur Kirche St. Lawrence-Silversleeves gemacht, um noch ein wenig zu beten. Doch als er ins Haus trat, attackierte ihn eine scharfe Stimme. »Wo bist du gewesen?«
»In der Kirche.«
»Und vorher? Im Schauspielhaus?«
Seine Großmutter. Cuthbert war kräftig gebaut, doch seit dem Tod seiner Eltern regierte die winzige Frau in dem schwarzen Kleid die ganze Familie mit eiserner Hand. Er und sein Bruder waren zu strengen Herren in die Lehre gegeben worden; zwei seiner Schwestern waren im Alter von fünfzehn Jahren energisch unter die Haube gebracht worden, während die dritte zu hören bekam, sie müsse bleiben und den Haushalt führen. Obwohl Cuthbert zwanzig Jahre alt und nun Zimmermannsgeselle war, lebte er immer noch im Haus und zahlte Miete, um die Großmutter zu unterstützen. Dennoch überwachte sie seinen Lebenswandel, als sei er ein kleiner Junge, und Cuthbert hatte immer noch Angst vor ihr.
»Wer eine Hure berührt oder ins Schauspielhaus geht, wird am Tage des Jüngsten Gerichts büßen«, hatte sie prophezeit, und er glaubte ihr. Eine Hure hatte er nie berührt. Aber das Schauspielhaus…
Er war ein guter Zimmermann, das gab selbst sein strenger Meister zu. Aber wann immer er konnte, schlich er sich ins Schauspielhaus. Romeo und Julia hatte er zehnmal gesehen und danach Furcht und Scham empfunden. Dennoch sündigte er weiterhin und hatte sogar angefangen, deshalb zu lügen. »Ich war in keinem Stück«, antwortete er. Das stimmte genaugenommen, war aber irreführend. Sie schien zufrieden – wodurch er sich nur noch schlechter fühlte.
Es war bereits dunkel, als John Dogget Edmund in das Bootshaus führte. Vor ein paar Stunden waren sie über den Fluß nach Southwark gefahren und hatten im »George« etwas getrunken, und es war ein Beweis ihrer neuen Freundschaft, daß Dogget genügend Vertrauen zu dem jungen Gentleman gefaßt hatte, um ihm den Schatz zu zeigen. Nicht viele Leute wußten davon.
Das Bootshaus lag flußabwärts der London Bridge inmitten einer Gruppe ähnlicher Gebäude am Rand einer kleinen Einfahrt; und im Licht von Doggets Lampe konnte Edmund sehen, daß sich hier eine kleine Werkstatt zum Bauen und Reparieren von Booten befand. »Mein Großvater hat damit angefangen«,
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