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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Ducket. Selbst an diesem Sommertag war er in Schwarz gekleidet; seine weiße Halskrause, sein silberner Degen mit dem diamantenbesetzten Knauf und die Silbersträhne in seinem Haar boten den zurückhaltenden Schmuck, der seinem Reichtum und seiner strengen Autorität angemessen war. Er stand lächelnd vor dem Bishopsgate. Als sie näher kamen, lüpfte Edmund munter seinen Hut und verbeugte sich mit einer Eleganz, so exakt zwischen Respekt und Spöttelei, daß Jane kichern mußte. Normalerweise hätte Ducket keine Zeit für Meredith gehabt, doch heute sah er ihn fast leutselig an, winkte ihn näher und fragte: »Ihr habt die Neuigkeit noch nicht gehört?« Der Alderman lächelte nicht oft. Die einzige sichtbare Spur der fröhlichen Gene seines Vorfahren, der um Gilbert Bulls Tochter Tiffany geworben und sie mit einem beherzten Sprung in den Fluß gerettet hatte, war der Silberstreifen in seinem Haar. Wie viele der anderen Aldermen war er Puritaner und streng calvinistisch.
    Für Alderman Ducket war es ein sehr guter Tag. Bei den Theatern an der Bankside war er schon gewesen und hatte das sehr genossen; nun war er unterwegs nach Shoreditch. Die Begegnung mit Meredith, den man als Theaterliebhaber kannte, gab ihm noch eine Möglichkeit, die Reaktion auf seine Erklärung auszukosten. »Alle Theater werden geschlossen«, teilte er ihm kühl lächelnd mit.
    »Unmöglich«, erwiderte Meredith. »Die Theater befinden sich außerhalb Eurer Gerichtsbarkeit.«
    Es war eine seltsame Eigenheit des Londoner Regierungssystems, daß die alten feudalen Freiheiten der Klöster selbst nach ihrer Auflösung nie aufgehoben wurden, sondern in die Hände des Monarchen übergingen. Die Theater der Bankside lagen daher im Freibezirk des Clink, und auch Blackfriars war noch ein Freibezirk. Schon lange hatte es die Stadtväter erbost, daß die Theater vor ihrer Nase, aber außerhalb ihrer Gerichtsbarkeit geführt wurden.
    »Wir haben den Geheimen Kronrat ersucht, sie alle zu schließen.«
    »Das wird nicht geschehen. Die Königin höchstpersönlich ist den Schauspielern wohlgesonnen.«
    Ducket lächelte. »Nicht seit der Isle of Dogs«, erwiderte er.
    Dieses Stück, aufgeführt von der Truppe Lord Pembrokes, hatte eine anzügliche, aber amüsante Kritik nicht nur an den Aldermen der Stadt, sondern auch an der königlichen Macht auf die Bühne gebracht. Monatelang hatten Ducket und die übrigen Aldermen sich darum bemüht, daß der Pachtvertrag der Chamberlain's Men für das Theater in Shoreditch nicht verlängert würde.
    Sie waren sogar an Giles Allen, den Besitzer des Grundes, herangetreten und hatten ihm befohlen, nicht mehr an Schauspieler zu vermieten, sonst würden sie ihn ruinieren. Seither hatte Ducket auch für Ärger in Blackfriars gesorgt, aber nichts Entscheidendes erreicht. Doch dann hatten diese Narren von Lord Pembrokes Truppe ihm seine Chance gegeben. Eine Abordnung an den Geheimen Kronrat hatte einen sorgfältigen Bericht vorgelegt, der zeigte, wie die königliche Macht beleidigt wurde. »Ihr seid im Irrtum«, fuhr Ducket fort. »Der Kronrat ist auf unserer Seite. Mit dem Theater ist es vorbei. Und manche Eurer Schauspielerfreunde sollten besser vorsichtig sein – man könnte sie als Vagabunden betrachten.«
    Das war keine leere Drohung. Jedermann, der – wie Schauspieler – ohne feste Beschäftigung durch das Land zog, konnte ausgepeitscht und an seinen Geburtsort geschickt werden. Zwar konnte Ducket respektablen Männern wie Shakespeare nichts anhaben, doch manche der ärmeren Schauspieler mit nur gelegentlichen Engagements liefen Gefahr, so behandelt zu werden, wenn sie auf eine Gastspielreise gehen wollten. Doch Duckets Bemerkung zielte in erster Linie auf eine Kränkung ab. Das Theater stand außerhalb der Gesellschaft; die Schauspieler waren lediglich Vaganten.
    »Ich glaube Euch dennoch nicht«, antwortete Meredith und ging weiter.
    Doch es stimmte, und bis zum Abend wußte es ganz London. Den Theatern wurde befohlen zu schließen. Ben Jonson, einer der Autoren der Isle of Dogs, wurde wegen Mißachtung der Regierung ins Gefängnis gesteckt, während sein Mitautor Nashe fliehen konnte. Die Leute der Theatergemeinde waren zutiefst verzweifelt; die Schauspieler waren außer sich. Nicht einmal die Burbages, die wiederholt versucht hatten, beim Kronrat vorzusprechen, konnten etwas Ermutigendes sagen. Erst nach einer Woche gab es eine Neuigkeit. »Man erlaubt euch, die Stadt zu verlassen und auf Tournee zu gehen«, wurde

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