London
Selbst aus der Ferne konnte Jane sie in dem kleinen Lichtkreis deutlich erkennen: Edmund, sein attraktives, aristokratisches Gesicht; die Lady, eine geschminkte Schönheit, die ihn mit irgendeiner Bemerkung zum Lachen brachte und dann seine Hand nahm. Edmund zog sie nicht zurück.
Nichts hatte sich geändert. Mit einem plötzlichen Anflug von Übelkeit wußte Jane das in ihrem Innersten. Dogget hatte nicht bemerkt, wen sie gesehen hatte, und plauderte immer noch munter. Er war überrascht, als Jane seine Hand ergriff.
Sie waren immer noch fünfzig Meter entfernt, als Edmund sich umblickte und sie sah. Wären nicht die weiße Strähne in Doggets Haar und Janes vertrauter Schritt gewesen, hätte er sie in der Dämmerung nicht erkannt. Einen Augenblick lang zögerte er. Er wußte, daß die beiden Freunde waren. Konnten sie etwa – ein Liebespaar sein? Nein, dachte er. Dogget brachte sie nur nach Hause, ganz unschuldig. Doch was würde er selbst tun? Würde er sich an der Haustür der Lady von ihr trennen? Fast wäre zu den beiden hingegangen, doch dann ließ er es. Einen Augenblick später wandten sich die Lady und Edmund westwärts zur Stadt, während Dogget und Jane nach Norden weiterschritten.
Die kleine Prozession, die eine Woche später an einem schönen Nachmittag die London Bridge überquerte, sah festlich aus. Im ersten Wagen voller Kostüme fuhren Fleming und sein Sohn, im zweiten saß seine Frau. Danach kam ein offenes Gefährt voller Requisiten, auf dem Cuthbert Carpenter thronte, um darauf zu achten, daß nichts herunterfiel. Im vierten Wagen, ebenfalls voller Requisiten, fuhr Jane, im fünften Dogget.
Es sah aus, als hätten sie alles für einen Karneval dabei: einen Thron, eine Bettstatt, ein goldenes Zepter, ein goldenes Vlies, einen Amorbogen samt Köcher und Pfeilen, einen Drachen, einen Löwen, einen Höllenschlund. Ferner einen Hexenkessel, die Tiara eines Papstes, eine Schlange, einen Baumstamm, Rüstungen, Speere, Degen und Dreispitze. Die Leute starrten, als diese außergewöhnliche Fracht vorbeirumpelte.
Das Globe war bereit zur Eröffnung. Fleming hatte ein Haus in Southwark gemietet, und es war Zeit, den Inhalt seines Requisitenlagers in das neue Quartier zu bringen. Jane hatte ihre Entscheidung getroffen. Sie hatte genug von Meredith. Nun, da sie sich für Dogget entschieden hatte, war sie erfüllt von einem außergewöhnlichen Gefühl des Friedens und des Glücks. Sie freute sich darauf, Meredith ihre Entscheidung mitzuteilen.
Über eine Woche war vergangen, seit Meredith den Burbages sein Stück gegeben hatte, und er wartete unter Höllenqualen des Zweifels. Daher war es nicht gerade eine Nervenberuhigung für ihn, als zwei Tage nach seiner Begegnung mit den Schauspielern William Bull zu ihm kam.
»Ich glaube, es ist an der Zeit, daß ich selbst die Burbages aufsuche«, erklärte Edmunds Cousin stur. »Ich will meine fünfzig Pfund.«
»Aber das darfst du nicht!« rief Edmund. Er konnte William nicht sagen, daß die Burbages dachten, das ganze Geld stamme von ihm.
»Warum?«
Edmund dachte fieberhaft nach. »Weil sie schwierig sind. Voll seltsamer Launen. Finster und griesgrämig. Das Globe wird seit drei Jahren nun den ersten Gewinn einbringen, und du bist nicht der einzige, dem sie Geld schulden. Ich habe sie überredet, dich zuerst auszuzahlen«, log er. »Aber wenn du jetzt zu ihnen gehst, wenn sie gerade mit den ersten Vorstellungen beschäftigt sind, werden sie wütend sein. Und dann lassen sie dich wirklich warten.«
»Na gut«, seufzte Bull und schickte sich an aufzubrechen. »Aber ich zähle auf dich.«
Am folgenden Tag wurde Edmund von den Burbages benachrichtigt, daß sein Stück in der nächsten Woche aufgeführt werden sollte.
Die Morgensonne war noch fahl, als Jane am Tag vor der Uraufführung vor dem Globe auf Edmund wartete. Sie verspürte kein Triumphgefühl mehr, sondern war ein wenig nervös. Aber sie wußte, was sie tun würde. Sie würde ihm sagen, daß sie beabsichtige zu heiraten.
Er würde bald kommen, denn heute vormittag war die Gesamtprobe seines Stücks. An der Tür des Globe hinter ihr verkündete ein gedruckter Handzettel:
DER FINSTERE MOHR
von EDMUND MEREDITH
Tausend Stück waren gedruckt und in Gasthäusern, in den Inns of Court und an anderen Orten, wo Theaterliebhaber zusammenkamen, verteilt worden. Die Burbages hatten auch einen Ausrufer angeheuert, der dieses Stück und andere Glanzlichter des neueröffneten Theaters bekanntmachen
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