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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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sollte.
    Jane hatte von ihrem Vater erfahren, daß man das Stück nur zögerlich angenommen hatte; einer der Burbage-Brüder wollte, daß man es umschrieb. Doch aufgrund der Schulden bei Edmund und seiner Dienste bei der Affäre mit dem Pachtvertrag hatte man beschlossen, es aufzuführen, allerdings in der sommerlichen Vorsaison, während man sich noch einrichtete. Die richtige Saison im Herbst sollte dann mit einem neuen Stück von Shakespeare eröffnet werden. Wie auch immer, Meredith' Schriftstellerei ging sie nichts mehr an. Sie faßte sich, als sie ihn näher kommen sah.
    Heute war er einfach gekleidet. Er schlenderte nicht wie üblich, sein Gang wirkte eher nervös; magerer war er geworden, und er sah aschfahl aus. Ruhig begrüßte er sie. »Heute ist die Gesamtprobe. Sie werden das ganze Stück hören.«
    Damit ihr Publikum häufig kam, wechselten die Schauspielhäuser ständig ihr Repertoire. Alte Lieblingsstücke wie Romeo und Julia und neue Stücke, die nur einmal aufgeführt wurden, falls sie keinen Anklang fanden, wechselten sich ab, und so mußten die Schauspieler in mehreren verschiedenen Stücken pro Woche auftreten. Die Probenzeiten waren außerordentlich kurz, und ein Schauspieler, der seine eigene Rolle beherrschte, hörte den Gesamttext manchmal erst bei der Generalprobe.
    »Ich habe alle meine Freunde aufgefordert zu kommen.« Edmunds Miene hellte sich ein wenig auf. »Rose und Sterne haben versprochen, zwanzig Leute mitzubringen.« Er sagte nicht, daß er sogar an Lady Redlynch geschrieben hatte, um sie um Unterstützung zu bitten. »Aber vor den Leuten im Parterre habe ich Angst. Was ist, wenn sie mich auszischen? Glaubst du, Dogget oder sonst jemand bringt ein paar Freunde mit? Als Unterstützung im Parterre?«
    »Du meinst, ich soll ihn darum bitten?« Die Unterhaltung entwickelte sich in eine andere als die von ihr beabsichtigte Richtung. »Edmund, es gibt etwas anderes, was ich dir sagen muß.«
    »Ja? Wegen des Stücks?«
    Nun hielt sie inne. Er sah so verängstigt aus, so ganz und gar nicht wie der selbstbewußte Bursche, den sie kannte. Nein, stellte sie fest, sie konnte es ihm jetzt nicht sagen. »Alles wird gutgehen«, tröstete sie statt dessen. »Nur Mut.« Und sie gab ihm einen eher mütterlichen Kuß. »Viel Glück.«
    Sie hatten nicht bemerkt, daß ein Paar blauer Augen sie mit einem seltsamen, verschleierten Blick beobachtete.
    Der Finstere Barnikel war erst vor zwei Tagen in London angekommen und hatte nicht vor, lange zu bleiben. Sein Schiff lud eine Fracht Tuch, bevor es wieder in See stach. Danach hatte ihn eine Gruppe von Kaufleuten in den Niederlanden angeheuert, nach Portugal zu segeln. Während der letzten beiden Jahre hatte ihn sein Vagabundenleben zu den Azoren und nach Amerika geführt. Seine Besuche in fernen Häfen hatten zwei Kinder zur Folge, von denen er nichts wußte, und hatten ihm eine Truhe voll Silber eingebracht, die er auf den Rat seiner Cousins in Billingsgate in der eisenbewehrten Kammer Alderman Duckets sicher deponiert hatte. Aber es gab noch eine andere Angelegenheit, die er in London zu lösen gehofft hatte. Er hatte seine Cousins, Alderman Ducket und verschiedene andere Bekannte zu Rate gezogen, doch ihr einheitlicher Mangel an Ermutigung hatte Orlando Barnikel in eine sehr launische Stimmung versetzt.
    Seine Neugier war geweckt worden, als er am Nachmittag zuvor in einer Schenke den Handzettel für den FINSTEREN MOHREN gesehen hatte. Er erinnerte sich an seine Unterhaltung mit dem jungen Stutzer bei seinem letzten Besuch und fragte sich, ob das dieser Meredith sein könne. Neugierig war er daher an diesem Morgen zum Globe geschlendert, und als er nun Meredith mit Jane sah, erinnerte er sich sofort an sein Gesicht und auch an das Mädchen des jungen Mannes. Wenn das Meredith war, dann war er selbst wohl Gegenstand des Stückes.
    Was hatte dieser junge Geck gesagt – er könne aus ihm einen Helden oder einen Bösewicht machen? Wenn ganz London von einem Mohren als einem Helden sprach, würde das seinen augenblicklichen Absichten sehr dienlich sein; ein Bösewicht würde ihm jedoch ganz und gar nicht passen.
    Es war ein bewölkter Tag, als die Menge auf das Globe zuströmte. Eine Prozession kleiner Gruppen überquerte die Brücke, und Doggets neue Fähre war bereits dreimal vom Nordufer her über den Fluß gesetzt. König Heinrichs zweckentfremdete Barke sah prachtvoll aus. Ihre goldenen und purpurroten Verzierungen leuchteten über die ganze

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