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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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gefragt hatte, was er meine, doch Gideon war unwillig gewesen, sich genauer zu äußern. »Trinkt er?« fragte sie, »oder flucht er?« Sie wußte, daß Dogget kein so starker Charakter wie sie war, aber er war kein schlechter Kerl, und sie erinnerte Gideon: »Wir müssen unserem schwächsten Bruder Mitleid und Vergebung bekunden.«
    Es war ihre Pflicht, Dogget zu lieben, aber auch, ihm zu helfen, sagte sie sich. In der ersten Nacht, die sie zusammen verbrachten, hatte er den Arm um sie gelegt, was sie für angemessen hielt, doch als er seine Hände in der zweiten Nacht versuchsweise ein wenig hatte wandern lassen, hatte sie ihm sanft Vorwürfe gemacht. »Diese Dinge tut man, um Kinder zu zeugen«, sagte sie. »Aber Gott gibt uns keinen Grund mehr für so etwas.« Und sie war froh, daß er demütig gehorchte.
    Sie gab auch zu, daß sie froh über Mrs. Wheeler war, die ihn ihr manchmal für ein oder zwei Stunden abnahm. Sie konnte ihre lange Fehde mit Sir Julius zwar nicht ganz billigen, aber sie hegte keinen Zweifel, daß Sir Julius im Unrecht war und es verdiente, zur Rechenschaft gezogen zu werden.
    Hätte Jane auf Meredith' Rat gehört, so hätte sie die Sache schon lange aufgegeben. »Früher oder später wird herauskommen, daß Barnikel ein Mohr und ein Pirat war«, warnte er sie. »Dann wirst du deinen Ruf verlieren, und selbst die Rundköpfe werden Sir Julius' Wort höher bewerten als das eines Piraten.« Aber Jane wußte, daß Sir Julius log, und wollte sich nicht zum Narren halten lassen. »Es ist mir egal«, erwiderte sie Meredith. »Ich will mein Geld.« Ihre Anwälte schrieben Julius weiterhin Briefe, aber es kam nichts dabei heraus, und sie wurde von ihm höflich ignoriert. Im Dezember dieses Jahres, als Jane die Frau des Baronets auf dem Markt Fleisch einkaufen sah, hatte sie plötzlich eine Idee für eine neue raffinierte Offensive. Sie ging zu Martha.
    Es erstaunte Jane immer noch, daß die ernste Puritanerin niemals bemerkt hatte, daß sie eine Affäre mit ihrem Mann hatte. Obwohl diese Affäre aus ihrer Sicht auch ein Akt der Freundschaft für einen einsamen Mann war. Nach Marthas Rückkehr hatte sie angenommen, daß es aus sein würde, aber Dogget hatte ihr traurig erzählt: »Sie sagt, wir sind zu alt dafür. Gott würde es nicht billigen.« Martha selbst begehrt ihn offenkundig nicht, dachte Jane, sie scheint ganz froh zu sein, wenn sie ihn los ist. Daher ging die Affäre weiter.
    Sie trafen sich meist am Samstagnachmittag. Martha und der Rest der Familie besuchten den Nachmittagsgottesdienst in St. Lawrence-Silversleeves oder gingen manchmal weiter hinaus, um eine Predigt zu hören. Martha schien nichts dagegen zu haben, wenn ihr Mann zu Hause blieb, und dann ging er zu Jane Wheeler und verbrachte dort ein oder zwei Stunden. Selbst wenn er gelegentlich erwähnte, daß er sie besucht hatte, dachte sich Martha nichts dabei.
    Daher war Martha empfänglich für Janes Plan. »Ihr habt recht«, meinte sie. »Man sollte etwas tun. Ich werde mit Gideon reden.«
    Am 25. Dezember 1652 setzten sich Sir Julius Ducket und seine Familie an den Tisch in dem großen, vertäfelten Zimmer und lächelten einander verschwörerisch zu, denn sie schickten sich an, ein Verbrechen zu begehen. Vor dem Mahl jedoch holte Sir Julius wie gewohnt ein kleines Buch heraus. Kein wichtiger Jahrestag verging, ohne daß er daraus vorlas und seine Familie an ihre Pflichten erinnerte.
    Es war ein erbauliches kleines Bändchen mit dem griechischen Titel Eikon Basilike, »Das Bild des Königs«. Es hieß, der Text bestehe aus den Gebeten und Reflexionen des gemarterten Königs, und es hatte innerhalb von drei Monaten nach Karls Tod dreißig Druckauflagen erreicht. Dann hatte man den großen puritanischen Dichter John Milton aufgefordert, ein Pamphlet dagegen zu schreiben, doch es nützte nichts. Selbst Menschen, die das Parlament unterstützten, aber Zweifel an Cromwells neuer Militärregierung hegten, lasen manchmal das Buch des Königs, und da sie nur demütige Frömmigkeit darin fanden, begannen sie sich zu fragen, ob seine Hinrichtung gerecht gewesen war.
    Für die Familie Ducket war das Buch wie eine kleine Bibel und der König ein heiliger Märtyrer. Nachdem Sir Julius ein paar Seiten gelesen hatte, legte er es nieder und erinnerte sie: »Karl II. ist unser wahrer König; sollte er sterben, folgt ihm sein Bruder Jakob nach. Denkt daran, wir haben es gelobt.« Dann begannen sie mit ihrem Weihnachtsessen.
    Sie wurden vollkommen

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