London
auch Karl Stuart erlaubt. Der König, der ein Stück Papier mit ein paar Aufzeichnungen in der Hand hielt, begann zu sprechen, würdevoll, ruhig und höflich. Das Parlament, erklärte er, habe die Auseinandersetzung über Privilegien begonnen, nicht er. Monarchen, erinnerte er das Volk, seien da, um alte Verfassungen zu erhalten, die die Freiheit des Volkes bedeuteten. Nun hatten sie statt dessen nur die Willkürherrschaft des Schwertes. »Ich bin ein Märtyrer des Volkes!« rief er, »und ein Christ der Kirche Englands, wie ich sie von meinem Vater vorgefunden habe.«
Damit endete er. Sie nahmen ihm Umhang und Wams ab, so daß er nur noch ein weißes Hemd und seine Breeches trug. Sein Haar wurde mit einer Kappe bedeckt, damit es dem Beil nicht im Weg war, und man führte ihn zum Schafott. Doch bevor König Karl I. niederkniete, sah er Julius Ducket, und ihre Blicke trafen sich. Seine Augen waren traurig, doch schien eine Frage darin zu liegen. Wie könnte er seinen Schwur in Oxford vergessen? Julius sah König Karl direkt in die Augen und nickte rasch mit dem Kopf. »Ich habe es versprochen«, sagte dieses kurze Nicken. Im Augenblick seines Todes sollte König Karl wissen, daß Ducket seinen Söhnen die Treue halten würde.
Nicht einmal die erbittertsten Feinde des Königs konnten leugnen, daß König Karl I. von England mit außerordentlicher Würde in den Tod ging. Als der Henker mit einem einzigen scharfen Hieb zuschlug, stöhnte die Menschenmenge laut auf, als würde sie ihre schreckliche Tat plötzlich begreifen. Und als der Henker den abgetrennten Kopf hochhielt, war Sir Julius Ducket vielleicht nicht der einzige, der für sich murmelte: »Der König ist tot. Es lebe der König.«
Zwei Tage später wurde Sir Julius von Jane Wheeler aufgesucht. Das Dokument, das sie ihm zeigte, erklärte unmißverständlich, daß ein gewisser Kapitän namens Orlando Barnikel ihr seine Schatztruhe hinterlassen hatte, die er seinem Vater, dem Alderman Ducket, zur Verwahrung anvertraut hatte. Was um Himmels willen sollte Julius tun, fragte er sich, als er Jane verblüfft anstarrte.
Lag die alte Truhe mit ihren aufgebrochenen Schlössern noch in seinem Keller? Er konnte sich nicht erinnern. Etwa die Hälfte des Schatzes war noch da, aber wer wußte, was er in den kommenden unsicheren Jahren brauchen würde? Und wenn er ihr einen Teil gab und ihr sagte, er habe die Münzen aus der Truhe genommen, um sie besser verstecken zu können? Würde sie ihm glauben? Vermutlich nicht. Und außerdem würde das die Leute veranlassen, seine eigenen Angelegenheiten zu überprüfen – man würde sagen, die alten Münzen stammten von dem Kapitän und nicht von seinem Vater. Man würde ihn einen Dieb nennen.
Ein Kapitän! Er wußte sehr gut, was für eine Art Mann der scheinbar respektablen Witwe diesen Schatz vermacht hatte. Ein Mohr. Ein Pirat. Auf jeden Fall gestohlenes Geld. Und warum sollte diese Frau, eine Freundin Doggets und der verfluchten Carpenters, Geld bekommen, das doch für die Sache der Royalisten gebraucht werden könnte? Das konnte nicht Gottes Absicht sein. Ernst schüttelte er den Kopf.
»Ich fürchte, Mistress Wheeler, daß dieses Dokument eine Fälschung ist. Ich werde die Aufzeichnungen meines Vaters durchsehen. Wenn ich diese Truhe finde, gehört sie natürlich Euch. Aber ich muß Euch sagen, daß ich sie nie gesehen habe. Es sei denn«, fügte er hinzu, »sie ist in Bocton. Aber dann müßt Ihr Euch an die Rundköpfe wenden.«
Jane starrte ihn an, dann bemerkte sie ruhig: »Ihr lügt.« Empört forderte Julius sie auf zu gehen. »Niemand hat je so etwas zu mir gesagt«, erklärte er. Aber spät an diesem Abend, als alles bereits schlief, ging er hinunter in den Keller, zerschlug die alte Truhe, verbrannte sie, nahm die Metallteile aus der Asche und vergrub sie vor dem Morgengrauen.
Eine Woche später kam Jane wieder. »Gideon hat Bocton durchsuchen lassen«, sagte sie. »Die Truhe war nie dort. Was habt Ihr damit gemacht?« Sie schnaubte wütend, als er versicherte, nichts darüber zu wissen. »Ihr werdet noch von mir hören«, drohte sie. Sie hielt Wort; er bekam einen Brief von einem Anwalt. Sie verlangte eine Hausdurchsuchung, was er entrüstet ablehnte. Ein Jahr verging, und noch eines. Und sie war immer noch nicht zufriedengestellt.
1652
Ja, dachte Martha, ihr war eine freudige Heimkehr beschieden worden. Wie angenehm, wieder mit Gideon und seiner Familie, mit der lieben Mrs. Wheeler und natürlich auch mit
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