London
Plätze, Häuserblocks und Boulevards vorgelegt, die zur Sensation der nördlichen Welt hätten werden können. Doch die ungeheure Schwierigkeit, Tausende von Menschen mit Eigentumsrechten entlang der Straßen zu entschädigen, die Dringlichkeit des Baubeginns und die Kosten solcher Pracht hatten den König und seine Regierung gezwungen, etwas bescheidener vorzugehen. Der Entwurf der neuen Stadt war eine modifizierte Version des mittelalterlichen Plans.
Doch hier endete alle Ähnlichkeit. Man wollte die Fehler der Vergangenheit vermeiden. Man erließ Vorschriften; die Straßen mußten breiter sein, das Gefälle der Hügel wurde etwas eingeebnet, Häuser wurden in einfachen, klassischen Reihen gebaut – zwei Stockwerke mit Keller und Mansarde in Seitenstraßen, drei oder vier Stockwerke in Hauptstraßen. Vor allem wurde diesmal streng darauf geachtet, daß sie aus Stein oder Ziegeln waren, mit Schiefer- oder Ziegeldächern. Überall um London herum gab es nun Ziegeleien, wo der Londoner Lehm und die Ziegelerde, die ein tropisches Meer und die Eiszeitwinde vor Millionen Jahren abgelagert hatten, abgebaut und gebrannt wurden.
Einige mittelalterliche Wahrzeichen blieben erhalten. Der Tower stand immer noch am Ufer Wache. Innerhalb der östlichen Mauer gab es noch ein oder zwei gotische Kirchen; in Smithfield wahrte St. Bartholomew's seinen stillen Frieden aus den Tagen der Kreuzzüge. Und direkt am Fluß konnte eine Rarität gerettet werden: die hohen alten Häuser an der London Bridge, die zwar versengt worden waren, dem Brand aber standgehalten hatten, ein reizendes Überbleibsel aus Londons mittelalterlicher Pracht für weitere neunzig Jahre.
Der mittelalterliche Stadtkern war zerstört, und was an seiner Stelle entstand, war nicht unähnlich der römischen Stadt, die hier einmal gestanden hatte. Zwar ragte kein Amphitheater über dem westlichen Hügel; hier stand nun die Guildhall, und die Lust der Menschen am Blutvergießen mußte anstatt mit Gladiatorenkämpfen mit öffentlichen Hinrichtungen und Hahnenkämpfen befriedigt werden. Zwei Jahrhunderte sollte es noch dauern, bis man die Zentralheizung wiederentdeckte; die Straßen des siebzehnten Jahrhunderts hätten jeden Römer zum Lachen gebracht, und die Alphabetisierung war weniger verbreitet als in der antiken Welt. Doch hatte die neue Stadt annähernd den Grad der Zivilisiertheit erreicht, den die Einwohner Londiniums vierzehnhundert Jahre zuvor genossen hatten.
Der große Baumeister der neuen Stadt war Sir Christopher Wren. St. Mary-le-Bow hatte er bereits mit einem wundervollen klassischen Spitzturm neu konstruiert und als reizvolle Zufügung einen kleinen Balkon anbringen lassen, der in Erinnerung an die Tribüne, von der aus einst Könige und Höflinge den Turnieren zugesehen hatten, einen Blick über Cheapside bot. St. Bride's in der Fleet Street wuchs nach oben, und zahlreiche andere Entwürfe waren bereits angepackt. Aber nichts konnte man vergleichen mit dem ungeheuren Unterfangen, das nun vor ihnen lag.
St. Paul's. Eine riesige Höhle, fast ohne Dach. Die hohen, rußgeschwärzten Mauern standen schon einige Jahre seit dem Brand unverändert. Da es zu gefährlich gewesen wäre, sie mit Pulver zu sprengen, hatte Wren befohlen, sie langsam mit einem Rammbock Stück für Stück niederzureißen. Abgesehen von der Westmauer waren sie nur noch ein paar Meter hoch. Und anstelle der alten hohen gotischen Kirche hatte Wren ein großartiges neues Bauwerk entworfen, das Londons Pracht werden sollte.
O Be Joyful Carpenter war nie über den Großbrand in London hinweggekommen. In einem gewissen Sinn hatte er ihn vernichtet. Das Feuer der Wahrheit hatte ihn erfaßt und enthüllt, was er war: ein Feigling und ein Judas. Hatte nicht sein ganzes Leben danach es bewiesen? Bis zum Tod von Martha hatte er immer angenommen, daß er zu den Auserwählten gehörte. War er nicht mit Gideon und Martha auf Gottes Pfaden geschritten, schnitzte er nicht für den Herrgott? Aber du hast Martha verbrennen lassen, sagte er sich wieder und wieder, um deine eigene Haut zu retten. Dein Glaube ist Schwindel.
Eines Tages im Frühling nach dem Brand war er von Shoreditch in die zerstörte Stadt gegangen. Quadratmeile um Quadratmeile verkohlter Trostlosigkeit, Rauch, der immer noch von unzähligen Ruinen aufstieg. Und mit heller Verzweiflung war ihm klargeworden, daß er keineswegs einer der Auserwählten, sondern einer der Verdammten war.
Danach schien er alle Energie zu verlieren. Er
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