London
sicherzustellen, daß sein größtes Werk von Dauer, vielleicht für die Ewigkeit sein würde, hatte Wren angeordnet, daß die Fundamente tief und stark sein mußten. Man hatte Bohrungen durchgeführt, um den Untergrund zu prüfen. Drei Meter, sechs Meter, neun Meter waren sie nach unten gedrungen, tiefer als die existierenden Fundamente, vorbei an jenen der zuvor existierenden Kirche, vorbei an angelsächsischen Überresten, doch immer noch drängte der große Architekt: »Noch tiefer.« Meredith öffnete ein Kästchen und zeigte Carpenter Scherben von römischen Fliesen und Geschirr: »Das hat man aus der Zeit gefunden, als die Stadt römisch war.« Noch tiefer hatte man Sand und Muscheln gefunden. »Anscheinend war das einmal Meeresgrund. Dann endlich, über zwölf Meter tief, ist man auf harten Kiesel und Lehm gestoßen.«
Am nächsten Morgen, als O Be Joyful zur Arbeit kam, ereilte ihn ein Schock. Man hatte die Zeichnungen für das Dach gebracht, und er war nicht der einzige Arbeiter, der sie entsetzt anstarrte. Über der Hauptvierung hatte Wren eine riesige Säulentrommel gezeichnet, und darüber eine mächtige, erhabene Kuppel. »Das kann er nicht machen!« protestierte der Holzschnitzer. Keine Kirche in England war je mit einem solchen Aufbau geschändet worden. Die Form der Kuppel, die korinthischen Säulen – alles fügte sich nun zusammen –, das war deutlich die Nachbildung seiner frevlerischen Kuppel, die über dem großen Bau der Sündhaftigkeit schlechthin hing, wie jeder Puritaner wußte. »Lieber Gott!« rief O Be Joyful. »Es ist genau wie der Petersdom – die Kirche Roms!«
»Die Form des Gebäudes hat nichts mit der Religion zu tun«, versicherte Meredith ihm, als der entsetzte Holzschnitzer zu ihm gelaufen kam. »Die Katholiken selbst gehen ihrer Religion in Kirchen jeder möglichen Form nach. Wren ist der Sohn eines anglikanischen Geistlichen, kein Papist.«
»Wren mag alles sein, was Ihr sagt«, rief O Be Joyful. »Aber was ist mit dem König?«
Als Karl II. wieder in England eingesetzt wurde, schien alles ganz unkompliziert. Die Kirche würde anglikanisch sein, wie die Kirche seines Vaters und Großvaters. Den Puritanern paßte das vielleicht nicht, aber zumindest gab es keine Papisterei. War es aber wirklich so? Bei den Stuarts hatte es immer katholische Zwischentöne gegeben, und seit sie während des Commonwealth im Exil gewesen waren, hatte sich das noch verstärkt. Die Frau des Königs war katholisch, ebenso seine Schwester in Frankreich und viele seiner Freunde. Karl II. hatte seine anglikanische Rolle zwar immer treu erfüllt, doch im Verlauf der Jahre schien es vielen, daß er auf zu freundschaftlichem Fuß mit seinem Verwandten, Ludwig XIV. verkehrte, dem allerkatholischsten König Frankreichs. Als sie sich vor kurzem verbündeten, um Englands Konkurrenten im Handel, die Holländer unter Wilhelm von Oranien, zu schlagen, war das englische Parlament nervös geworden.
»Die Holländer schwächen, ja. Sie sind unsere Rivalen. Aber keine vernichtende Niederlage. Und wir wollen nicht, daß die gesamte gegenüberliegende Küste in der Hand von Katholiken ist.« Als Karl II. seine Freundschaft mit Ludwig fortsetzte, begann sich das Parlament zu wundern. Um nicht an Boden zu verlieren, bürdete es dem König eine neue Maßnahme auf. Die Test-Akte von 1673 verlangte, daß jeder, der ein öffentliches Amt innehatte, nicht nur Anglikaner sein, sondern auch unter Eid das Wunder der römisch-katholischen Messe ableugnen mußte. Kein gewissenhafter Katholik konnte das tun. Zwei Monate später reichte der Herzog von York, des Königs eigener Bruder, seinen Rücktritt als Oberbefehlshaber zur See ein, da er heimlicher Katholik war.
Jakob war ein anständiger, gewissenhafter Mann. Die meisten erinnerten sich an seine Rolle während der Feuersbrunst und stimmten überein, daß er ehrenhaft gehandelt habe, aber die Bestürzung war groß. Karl II. hatte zwar etwa dreizehn uneheliche Kinder, aber jedes rechtmäßige Kind der Königin war früher oder später gestorben. Daher konnte es sein, daß Jakob der nächste in der Erbfolge war. Glücklicherweise schien Karl von robuster Gesundheit; und Jakobs beide Tochter waren protestantisch. »Die englische Kirche ist sicher«, erklärte Meredith.
Voller Zweifel im Herzen kehrte O Be Joyful zur Arbeit zurück. Mehr als einmal bat er Gibbons, ihm andere Aufgaben zu geben, aber seine Arbeit war zu gut, als daß man darauf hätte verzichten können. Doch
Weitere Kostenlose Bücher