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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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bald darauf bekam er andere Dinge zu tun, und er versuchte das Modell aus seinen Gedanken zu verscheuchen.
    Er war äußerst erstaunt, als Meredith, der ihn zufällig in Cheapside sah, lächelnd auf ihn zukam. »Kommt«, sagte er. »Ich habe etwas, das Euch gefallen wird.« Der Geistliche führte ihn am Standort von St. Paul's vorbei in eine Bauhütte, wo er auf einen großen Plan an der Wand deutete. »Das große Modell, an dem Ihr gearbeitet habt, ist abgelehnt worden«, erklärte er. »Auch die Kirchenobersten mochten die papistische Kuppel nicht. Gebilligt wurde dafür dieses.«
    Die Zeichnungen an der Wand waren bemerkenswert. Man sah weiterhin Teile des klassischen Baus, aber er war länger, schmaler und glich mehr einer gewöhnlichen Kirche. Über der Hauptvierung erhob sich keine Kuppel mehr, statt dessen ein hoher, klassischer Turm. Der Entwurf wirkte etwas plump, überhaupt nicht das, was man von Wren erwartet hätte, aber die Hauptforderung war erfüllt.
    Zusammen mit Grinling Gibbons und Wrens anderen wichtigsten Handwerkern wohnte O Be Joyful einer improvisierten Feier bei, die man kurzfristig für die einfachen Arbeiter angesetzt hatte. Jeder außer O Be Joyful war fröhlich.
    Christopher Wren fiel ein, daß er einen Stein brauchte, um den Mittelpunkt der neuen Kirche zu markieren, und bat jemanden, ihm einen vom Friedhof draußen zu holen. Ein Maurer wollte gerade gehen, als der Blick des großen Mannes auf Carpenter fiel und er sich an seinen ungewöhnlichen Namen erinnerte. »O Be Joyful«, erklärte er, »was gäbe es für einen besseren Namen für eine solche Aufgabe! Geht mit diesem Mann, O Be Joyful, und sucht mir einen Stein.« Alles lachte.
    O Be Joyful hatte das Gefühl, daß in dem Lachen ein Hauch von Spott war. Sie lachten nicht über seinen Namen, sondern über seine Torheit. Wren, Gibbons und sicher noch viele der anderen waren wahrscheinlich an dem Komplott beteiligt, und sie lachten, weil sie annahmen, er habe es nicht erraten. Er und der Maurer suchten ein paar Minuten auf dem Kirchhof und wählten schließlich ein flaches Stück, das von einem Grabstein abgebrochen war. Ein einziges Wort stand darauf. Der Maurer konnte nicht lesen. O Be Joyful entzifferte langsam die Buchstaben, aber sie hatten für ihn keine Bedeutung. Als Wren den Stein sah, klatschte er begeistert in die Hände.
    »O Be Joyful«, rief er, »Ihr seid ein Wunder. Wißt Ihr, was das bedeutet?« Und er ließ den Stein umdrehen, so daß alle das einzelne lateinische Wort sehen konnten: RESURGAM. »Ich werde auferstehen – das bedeutet es«, erklärte Wren. »Das war wirklich die Hand der Vorsehung.«
    Mit der Schrift nach oben legten sie den Stein auf den Mittelpunkt des Bodens der großen Kirche. O Be Joyful fühlte sich gedemütigt, denn er wußte sehr gut, was über diesem verfluchten Stein auferstehen würde. Es war ihm an dem Tag eingefallen, als Meredith ihm die neuen Entwürfe gezeigt hatte, und als er nun in Wrens lachendes Gesicht blickte, war er sicher. Es war unvorstellbar, daß der große Architekt wirklich vorhatte, den häßlichen, plumpen Bau zu errichten, den er in der Bauhütte gesehen hatte. Es konnte nur bedeuten, daß die Entwürfe für St. Paul's ein Schwindel waren, der die Leute beruhigen sollte, während Wren Zeit zu gewinnen suchte. Er plante, eine papistische Kathedrale mit einer papistischen Kuppel zu bauen. Er sagt, er sei Freimaurer, aber in Wahrheit ist er ein verlogener Jesuit, dachte O Be Joyful und schwor heimlich einen Eid: Wenn er eine Kuppel baut, weigere ich mich, in dieser Kirche zu arbeiten, selbst wenn Gibbons mich entläßt.
    1679
    Das Ereignis, das Sir Julius Ducket schließlich überzeugte, daß Jane Wheelers Fluch über seine Familie unwirksam war, fand an einem Julitag 1679 statt. Als seine Kutsche Pall Mall hinunterfuhr, fühlte er sich trotz seiner sechsundsiebzig Jahre so aufgeregt wie ein junger Mann. Wer hätte gedacht, daß er in seinem Alter einen solchen Ruf erhalten würde? Er war so erfreut, daß er eine einschneidende Veränderung an seiner Erscheinung vorgenommen hatte: Sir Julius Ducket trug eine lange graue Perücke.
    Die Mode kam wie die meisten Moden vom Hof des mächtigen Königs Ludwig XIV. von Frankreich. König Karl hatte sie kurz nach dem Brand in Whitehall eingeführt, und Sir Julius hatte beschlossen, daß er heute ganz auf der Höhe der Zeit sein mußte. Seine Perücke war kein einfaches Modell. Die dicht gerollten Löckchen bedeckten nicht nur den

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