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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Feigheit habe ich sie verbrennen lassen.« War er der Sohn Gideons, Marthas spiritueller Erbe? Nein. Er war unwürdig.
    Und was war aus ihrer Vision von der leuchtenden Stadt geworden? Alles war zerstört!
    Die Mediziner sind immer noch geteilter Meinung, warum die Pest nach der großen Feuersbrunst kaum mehr nach London zurückkam. Auch die Ursachen des Brandes blieben umstritten. Die meisten Londoner hielten die Katholiken für die Schuldigen. Maßvoller war die Ansicht des Parlamentsausschusses, der bald danach aufgefordert wurde, Bericht über den Großbrand zu erstatten. Die Schuld, schlußfolgerte der Ausschuß, könne nicht irgendwelchen Ausländern oder den Katholiken zugeschoben werden. Die Feuersbrunst von London, hieß es unmißverständlich, sei höhere Gewalt gewesen. Die Flamme Gottes.

ST. PAUL'S
1675
    DIE SONNE FIEL auf die Südseite des seltsamen kleinen Gebäudes auf dem Hügel. Eugene Penny wartete geduldig darauf, daß die beiden Männer ihr Gespräch beendeten. Weiter unten stand leuchtend weiß das Queen's House am Themseufer von Greenwich. Eugene fragte sich, ob Meredith nachts dort oben sein würde, um durch das große Rohr die Sterne zu beobachten. Eine Welle der Verlegenheit überlief ihn, wenn er daran dachte, was er ihm zu sagen hatte, denn er wußte, daß Meredith ihn für verrückt erklären würde.
    Obwohl Richard Meredith sah, daß Eugene auf ihn wartete, konnte er sich nicht so leicht losmachen, da er mit Sir Julius Ducket etwas klären mußte. Es war um so ärgerlicher, da er sich auf die Eröffnungsfeier des Bauwerks gefreut hatte. Sein Freund und Kollege in der Royal Society, Sir Christopher Wren, der Astronom, der seine mathematischen Talente so brillant auf die Architektur anwenden konnte, hatte auch dieses Gebäude entworfen. Die kleine, achtseitige Konstruktion aus Ziegelsteinen, die nun auf dem Hügel über Greenwich thronte, war die erste ihrer Art in England: die Königliche Sternwarte.
    So seltsam es anmuten mochte, die Sterne zu studieren war nicht das oberste Ziel – obwohl das Observatorium natürlich über ein Teleskop verfügte. Wie Meredith es Sir Julius heute vormittag mitgeteilt hatte, war der Hauptzweck ein durch und durch praktischer. »Es soll unseren Seeleuten helfen«, erklärte er. »Jetzt ist es so, daß ein Seemann mit Hilfe eines Quadranten den Winkel der Sonne in ihrem Zenit mißt oder sich an manchen Sternen orientiert und so berechnet, wie weit nördlich oder südlich er ist. Aber er weiß nicht, wie weit östlich oder westlich er ist. Ihm fehlt die Länge. Bisher mußten die Seeleute raten, normalerweise zählten sie die Tage, die sie bereits unterwegs waren. Doch es gibt einen Weg, die Länge festzustellen. Jeden Tag, wenn die Erde sich um die Sonne dreht – und das wissen wir trotz der Einwände der Römischen Kirche –, dreht sie sich auch um sich selbst. Deshalb erscheint die Sonne hier in London ein paar Minuten früher am östlichen Horizont als im Westen Englands.« Tatsächlich war die Ortszeit damals höchst unterschiedlich. Jede Stadt stellte ihre Uhren nach dem Tageslicht, so daß der westliche Hafen Bristol eine andere Zeit hatte als London.
    »Wir berechnen, daß ein Unterschied von vier Minuten einem Längengrad entspricht; eine Stunde sind fünfzehn Grade. Wenn ein Seemann also seine eigene Zeit berechnet, was ihm durch die Sonne möglich ist, so braucht er sie nur mit unserer Zeit hier in London zu vergleichen, um herauszufinden, wie weit östlich oder westlich er von uns ist.«
    »Wenn er eine Uhr hätte, die zuverlässig die Londoner Zeit anzeigt!«
    »Ja. Aber wir wissen noch nicht, wie man eine Uhr konstruiert, die auf See so genau geht. Trotzdem«, fuhr Meredith fort, »können wir genaue Tafeln der Mondposition am Hintergrund des Himmels erstellen, so daß ein Seemann, wenn er nach einem astronomischen Jahrbuch seine Standlinie berechnet, weiß, wie spät es zu einem bestimmten Moment in London ist. Wenn er dann seine astronomische Richtuhr mit seiner Ortszeit vergleicht, kann er seinen Längengrad berechnen.«
    »Wird es lange dauern, diese Tafeln zu erstellen?«
    »Jahrzehnte. Es ist eine gewaltige Aufgabe. Aber dafür wurde das Königliche Observatorium gebaut – um eine große Karte aller Himmelskörper und ihrer Bewegungen zu erstellen.«
    »Und alle Seeleute – auch aus anderen Ländern – werden ihre Position mit Hilfe einer Londoner Standardzeit berechnen?«
    »Genau«, erwiderte Meredith. »Wenn sie wissen wollen, wo

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