London
immer noch jeder außerhalb der Stadt bezeichnet wurde – und den Londonern, die Konkurrenz hinsichtlich ihrer Kunstfertigkeit und ihrer Arbeitsstellen fürchteten. Das eigentliche Problem war als Ergebnis der Brandkatastrophe entstanden und betraf die altertümliche Verwaltung der Stadt.
In den ersten Monaten nach dem Brand, als die Altstadt innerhalb der Mauern eine verkohlte, leere Ruine war, hatte man sich sogar gefragt, ob man sie nicht aufgeben sollte. Nach und nach hatte man sie dann wieder aufgebaut, aber die mittelalterliche Struktur bestand nicht mehr. Um den Hof bei Whitehall herum entstanden neue, vornehme Wohngebiete, wo sich vor allem die Reichen gerne niederließen. Handwerker dagegen, die gezwungen waren, ihrem Gewerbe auch weiterhin in den nördlichen und östlichen Vorstädten nachzugehen, fanden es billiger, an ihren angestammten Orten zu bleiben. Weder der Mayor und die Aldermen noch die Gilden machten ihre Amtsgewalt in all diesen wuchernden Randgebieten geltend. Wenn ein Mann die Freiheit der Stadt und die Vorteile der Mitgliedschaft in einer Gilde suchte, blieben die alten Regelungen und Lehrjahre wie zuvor. Doch wenn Kaufleute und Handwerker in den Vorstädten arbeiteten, konnten die Gilden nicht viel dagegen unternehmen. Als hugenottische Seidenweber sich in der kleinen Vorstadt Spitalfields, gerade außerhalb der östlichen Stadtmauer, niederließen und durch ihre harte Arbeit und mitgebrachte Sachkenntnis sofort Erfolg hatten, gab es manche, die in der Stadt nur wenig verdienten und mißgünstig waren.
»Das ist nur eine örtlich beschränkte Sache«, erklärte Meredith Penny. »Die Londoner sind nicht gegen die Hugenotten.«
Doch Eugene schüttelte den Kopf. Sein Gesicht war mit den Jahren schmaler geworden, so daß es nun sehr feingeschnitten aussah. Er ist ein attraktiver Junge, dachte Meredith, fast könnte er Spanier sein. Doch Eugene Pennys Problem lag darin, daß er Franzose war.
Sein Vater hatte ihn nach England geschickt. »Mit dem Edikt von Nantes haben die französischen Könige geschworen, daß wir auf unbegrenzte Dauer unserem Glauben huldigen können«, hatte er zu Eugene gesagt. »Aber die Kirche Roms ist mächtig, und der König ist fromm. Geh deshalb nach England. Wenn wir darauf zählen können, daß wir hier sicher sind, kannst du zurückkommen. Wenn nicht, mußt du dort für deine Geschwister ein neues Zuhause bereiten.« Seit seinem letzten Besuch bei seiner Familie hatte Eugene schreckliches Heimweh. »Ich will einfach heim nach Frankreich«, gestand er Meredith nun mit entschuldigender Miene. »Meine Familie ist dort nicht zu Schaden gekommen.«
Bezüglich der Lage in Frankreich konnte Meredith Eugene keinen Rat geben, aber ihn bekümmerte es, daß er einen so guten Meister verlassen wollte. »Schreibt zumindest zuerst an Euren Vater, um ihn um Erlaubnis zu bitten«, schlug er vor, bezweifelte jedoch, daß Eugene seinem Rat folgen würde.
Langsam ging Eugene Penny weg, das Herz zerrissen. Er schritt über die Kuppe des Hügels nach Blackheath, nahm die alte Straße nach Kent und machte sich auf den langen Weg hinunter nach Southwark, gut vier Meilen, doch das machte ihm nichts aus. Ganz London lag vor ihm ausgebreitet – die verkohlte Stadt, immer noch im Wiederaufbau begriffen, der ferne Whitehall-Palast, die noch ferneren bewaldeten Hügel von Hampstead und Highgate. Und wohin er auch sah, von der London Bridge aus flußabwärts bis zum Tower und entlang des Themsehafens, des Pool of London, bis hinter Wapping, hatte er die Schiffe im Blick, einen Wald von Masten, den unumstößlichen Beweis, daß der mächtige Hafen London seinen weltweiten Handel durch nichts unterbrechen ließ, weder durch die Pest noch durch einen Brand oder sogar Krieg. Wie konnte er wünschen, eine solche Stadt zu verlassen?
Ein paar Tage später, an einem warmen Nachmittag, stand in einer riesigen, leeren Ruine auf dem westlichen Hügel der Stadt eine Gruppe von Männern beisammen. Mehrere waren Handwerker und Maurer, die ihre Schürzen trugen – ganz passend, da der klug aussehende Mann, der sie zusammengerufen hatte, nicht nur Englands größter Baumeister, sondern auch selbst überzeugter Freimaurer war.
»Heute ist der Beginn einer Auferstehung«, kündigte Christopher Wren an. Die Auferstehung Londons war bereits eine bemerkenswerte Großtat. Die Stadt, die sich aus der Asche erhob, hätte sicher imposanter sein können. Wren und andere hatten Pläne für eine Reihe vornehmer
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