London
sie sind, werden sie der Zeit des Königlichen Observatoriums folgen. Wir werden sie Greenwicher Zeit nennen.«
Doch nachdem Meredith Sir Julius in das Observatorium mitgenommen und ihm Teleskop, Uhr und alle Geräte gezeigt hatte, war er plötzlich in dieses dumme Gespräch hineingezogen worden. Noch dazu war es seine eigene Schuld. Vor einem Monat etwa war ihm die Sache herausgerutscht. Sorglos hatte er gemeint, da er die Sache nicht ernst nehme, würde auch der Baronet das nicht tun. Doch Sir Julius war zutiefst bestürzt, ja sogar verängstigt, weil Jane Wheeler ihn verflucht hatte, bevor sie an der Pest gestorben war.
»Wenn sie eine Hexe war, könntet Ihr dann nicht bestimmte Gebete sprechen?« drängte Sir Julius. »Oder sollten wir ihren Leichnam ausgraben und verbrennen?«
Meredith seufzte. War das alles, woran sein Freund denken konnte, nachdem er das Observatorium gesehen hatte, das den gesamten Himmel aufzeichnen sollte? Als Mann der Wissenschaft beleidigte es ihn, daß die Leute immer noch diesem Aberglauben frönten, doch er wußte sehr gut, daß selbst gebildete Menschen noch an Hexen glaubten. Erst vor kurzem hatte es auf dem Land eine Reihe offiziell gebilligter Hexenverbrennungen gegeben, und das war nicht nur ein Überbleibsel des mittelalterlichen Glaubens – die strengen Puritaner in Schottland und sogar in Massachusetts waren geradezu erpicht darauf, Hexen zu verbrennen.
»Sie war keine Hexe«, widersprach er. Er sah jedoch, daß Ducket keineswegs zufriedengestellt war. Sir Julius gehörte nicht zu seinem Kirchspiel. Nach dem großen Brand war die kleine Kirche St. Lawrence-Silversleeves, ebenso wie mehrere andere in der Gegend, nicht wieder aufgebaut worden. Sir Julius wohnte nicht mehr neben St. Mary-le-Bow in der Stadt, sondern war etwas weiter nach Westen gezogen. Das neue Haus, das man anstelle seines abgebrannten errichtet hatte, war nun die offizielle Residenz des Mayors. Meredith hatte das Glück gehabt, kurz nach seiner Ordinierung die Pfründe von St. Bride's in der Fleet Street zu bekommen. »Ich werde für Euch beten«, tröstete er Sir Julius entgegen seinem gesunden Menschenverstand. Aber es war ihm nur zu recht, als Sir Julius ging und er sich Eugene Penny zuwenden konnte.
Meredith mochte den Hugenotten. O Be Joyful Carpenter hatte sie miteinander bekannt gemacht, und er hatte dem Jungen helfen können, eine Anstellung bei dem großen Londoner Uhrmacher Tompion zu finden, der die Uhr im Königlichen Observatorium baute. Er hörte sich aufmerksam an, was Penny zu sagen hatte. »Ihr müßt verrückt sein«, gab er dann sein Urteil ab.
Die Hugenottengemeinde in London gedieh prächtig; ihr Pastor konnte über mangelnde Arbeit nicht klagen. Sie hatte sich auch gut eingegliedert. Manche reiche Familien wie etwa die Des Bouveries waren bereits in die gesellschaftliche Prominenz aufgestiegen. Die französischen Namen – Olivier, LeFanu, Martineau, Bosanquet – wurden entweder englisch ausgesprochen oder wurden, so wie Penny, anglisiert: Thierry in Terry, Mahieu in Mayhew, Crespin in Crippen, Descamps in Scamp. Ihre Vorliebe für so kulinarische Köstlichkeiten wie Schnecken mochte seltsam erscheinen, aber andere Gerichte, die sie mitbrachten, wie etwa Ochsenschwanzsuppe, waren bei den Engländern bald beliebt. Ihre Geschicklichkeit bei der Herstellung von Möbeln, Parfüm, Fächern und den nun in Mode gekommenen Perücken war willkommen, und obwohl die Hugenotten wie alle Neulinge zunächst mißtrauisch beäugt wurden, respektierten die englischen Puritaner doch ihre calvinistische Religion. Der König hatte einen vernünftigen Kompromiß erreicht. Die ersten französischen Kirchen – beim Savoy-Palast und in der Threadneedle Street – durften eine calvinistische Form des Gottesdienstes zelebrieren, solange sie königstreu und diskret blieben. Alle neuen Kirchen mußten sich der anglikanischen Gottesdienstordnung anpassen – in französischer Sprache. Da sie fromm waren und darauf achteten, keinen Anstoß zu erregen, hielten die anglikanischen Bischöfe Londons zumeist eine schützende Hand über sie. Warum also wollte Eugene Penny fort?
In der östlichen Vorstadt hatte es in diesem Jahr einige Angriffe auf Hugenotten gegeben, und Meredith nahm an, Penny sei möglicherweise deshalb beunruhigt. Er jedoch war überzeugt, daß die eigentliche Ursache der Scherereien kaum etwas mit den Hugenotten als solchen zu tun hatte. Es gab immer Reibungen zwischen den »Fremden« – wie
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