London
ihre Alabasterschultern umspült.
Die Zofe bedient sie aufmerksam. Zuerst Seife. Dann Badeöl, damit die Haut weich bleibt. Ein riesiges Badetuch wird bereitgehalten, als sie aus der Wanne steigt, doch sie will nicht abgerubbelt, nur sanft abgetupft werden. Puderquasten, Salben für ihre hübschen Füße, ein Hauch von Parfüm.
In einem langen Seidenkleid sitzt Mylady nun in einem Sessel und nippt an einer Tasse heißer Schokolade. Danach bringt die Zofe ein kleines Silberbecken mit Wasser und Zahnbürste, auf die sie ein wenig Pulver streut. Sorgfältig bürstet Ihre Ladyschaft sich die perlmutternen Zähne. Als nächstes kommt ein kleiner silberner Schaber, mit dem sie, während die Zofe einen Spiegel hält, die rosige Zunge von eventuellen Resten dunkler Schokolade oder weißen Pulvers reinigt. Die Gräfin von St. James trifft ihre Vorbereitungen zu einer amourösen Verabredung an diesem Abend, in diesem Haus.
Hanover Square, Hausnummer siebzehn. Es lag an einer Seite des großen Rechtecks mit Kopfsteinpflaster, das nach dem momentanen Königshaus benannt war; und welcher Name könnte besser passen, um einen Eindruck seiner aristokratischen Behaglichkeit zu vermitteln? Das deutsche Haus Hannover hatte vielleicht nur einen dürftigen dynastischen Anspruch auf die englische Krone, aber das Parlament hatte es gewählt. Die Hannoveraner sprachen zwar kaum Englisch, waren aber Protestanten; sie waren zwar dumm, aber ihre Herrschaft hatte Frieden und Wohlstand gebracht, und die Dynastie war gesichert. Vor fünf Jahren war der letzte Abkömmling der Stuarts, Bonnie Prince Charlie, in einer romantischen, aber hirnverbrannten Eskapade in Schottland gelandet, um einen großen Aufstand anzuführen. Doch die britischen Rotröcke waren dagegen aufmarschiert und hatten bei Culloden den Aufstand niedergeschlagen. Die Sache der Jakobiten, für die Prinz Charlies Anhänger sich eingesetzt hatten, war tot.
Zwar brauten sich im Ausland immer wieder Konflikte zusammen, da die verschiedenen europäischen Mächte unablässig nach Überlegenheit strebten, doch seit den Siegen Marlboroughs vor einer Generation hatte England keinen Grund zu Besorgnis mehr. Die immer ausgedehnteren englischen Kolonien, von Amerika bis zur Karibik, von Indien bis zum märchenhaften Orient, brachten mit ihrem florierenden Handel immer größeren Reichtum, während im Land verbesserte Anbaumethoden vielen Landbesitzern ein steigendes Einkommen bescherten.
Nur ein Ereignis hatte stattgefunden, das die Zuversicht der Engländer leicht erschütterte. 1720, im ersten großen Spekulationsfieber der neuen kapitalistischen Ordnung, schnellten die Börsenkurse in London zunächst nach oben und platzten dann im Skandal um die Südsee-Gesellschaft wie eine Seifenblase – als South Sea Bubble wurde diese Katastrophe bekannt. Große und Kleine, die in Schwindelgesellschaften spekuliert hatten im Glauben, daß die Aktienkurse nur steigen könnten, verloren alles. Doch das Wachstum der Nation war so vital, daß die Geschäfte zehn Jahre später schon wieder florierten.
Die Ausdehnung Londons über die Stadtmauern hinaus, begonnen unter den Stuarts, hatte sich fortgesetzt. In einem großen Bogen Richtung Westen waren Aristokraten, Gentlemen und Spekulanten geschäftig am Bauen. Der große Grundbesitz dieses neuen Gebietes war etwas ganz anderes als der Flickenteppich des alten London, in dem jedes Haus einem anderen Besitzer gehörte. Adlige mit Landbesitz konnten ganze Areale mit prachtvollen Plätzen und Straßen anlegen, die ihre Namen trugen: Grosvenor Square, Cavendish Square, Berkeley Square, Bond Street. Es waren jedoch nicht nur Einzelpersonen; Livreegesellschaften, Oxforder Colleges, Kirche und Krone besaßen Land im Westend. Die breiten, schönen Straßen und Plätze breiteten sich ins offene Gelände aus – Parks, Felder und Weiden begannen, wo die Gebäude endeten. Zum erstenmal in der Geschichte bekamen die Häuser Nummern. Die in Reihen, den terraces, angelegten Fassaden waren einfach und klassizistisch, und da in dieser Zeit die Könige des Hauses Hannover alle Georg hießen, wurde dieser Stil »georgianisch« genannt.
Es war ein klassizistisches Zeitalter. Die Adligen machten ihre obligatorische Bildungsreise durch Europa und kamen mit italienischen Gemälden und römischen Statuen für ihre Häuser zurück; Ladys und Gentlemen kürten im alten römischen Badeort Bath; große Schriftsteller wie Swift, Pope und Dr. Johnson gestalteten ihre Gedichte
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