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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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sich mit Bewunderung an den jungen Angestellten. Meredith stand in seiner Schuld. Es war sogar zu Hamish Forsyth durchgedrungen, daß der fünfundzwanzigjährige Penny als junger Mann mit Zukunft galt. Er besaß nun fast zweitausend Pfund, eine beträchtliche Summe, wenn man bedenkt, daß ein gewöhnlicher Angestellter der Bank von England etwa hundert Pfand im Jahr verdiente.
    Eines Montagmorgens ging er zu Meredith. »Ich habe die Freude, Ihnen mitzuteilen, daß ich die einzige Tochter Mr. Hamish Forsyth' von Lloyds heiraten werde. Doch da ist noch etwas. Ich glaube, Sie stimmen mir zu, daß ich mir eine Juniorteilhaberschaft verdient habe. Meine Stellung als Forsyth' Schwiegersohn läßt das auch als angemessen erscheinen.«
    Meredith brauchte nicht lange, um sich Forsyth' Vermögen auszurechnen und zuzugeben, daß Penny der Firma tatsächlich wertvolle Dienste geleistet hatte. »Ich habe genau dasselbe gedacht«, erwiderte der Bankier.
    Penny trank noch ein Glas Sherry, das Meredith ihm anbot, dann ging er geradewegs zu Lloyds. »Mr. Forsyth«, begann er kühn, »ich bin nun Teilhaber im Bankhaus Meredith. Ich bin gekommen, weil ich um Marys Hand anhalten will.«
    »Teilhaber?« fragte der Schotte. »Ist das sicher?« Eugene nickte. »Na gut, dann haben Sie wohl recht. Die Zeit ist gekommen. Haben Sie einen Ring?«
    »Ich werde heute einen kaufen.«
    »Ein Ring ist nötig. Aber folgen Sie meinem Rat, und kaufen Sie nichts zu Teures. Ich kann Sie zu einem Händler bringen, der Ihnen etwas absolut Solides verkauft.«
    Das erste Kind des Ehepaars Penny war ein gesunder Junge, und ein zweites war bereits unterwegs, als Mary sagte, sie würde gerne etwas außerhalb der Stadt wohnen. Sie war begeistert, als Eugene ihr sagte, er habe ein Haus in Clapham gefunden. Es war eine kluge Wahl, sich für dieses Dorf am Südufer der Themse zu entscheiden. Drei neue Brücken – Waterloo, Southwark und Vauxhall – erleichterten den Zugang, und im offenen Gelände bei Lambeth wurden schöne Straßen angelegt, so daß der Weg zu den Villen von Battersea und Clapham durch eine elegante Vorstadt führte. In Clapham gab es neben der alten Gemeinde eine Reihe nobler Häuser, und die Kirche im Zentrum war ein anmutiges klassizistisches Gebäude. Forsyth meinte zwar, das Haus mit sechs Schlafzimmern, das Penny gefunden hatte, sei größer als eigentlich notwendig, besänftigte sich aber, als Eugene darauf hinwies, daß die Familie ja noch größer werden würde. Zur Feier des Anlasses kaufte er dem Paar sogar ein schönes Wedgwood-Service.
    Eugene brauchte kaum mehr als eine halbe Stunde von seinem Haus zum Büro. Seiner Frau jedoch gefiel am besten, daß kaum hundert Meter von ihrem hübschen Garten entfernt die großen, duftenden Lavendelfelder lagen, die sich den Hügel hinunter nach Battersea zogen. Wenn sie gefragt wurde, wo sie nun wohnten, antwortete sie stets: »Oh, in Clapham, neben dem Lavendelhügel.«
    1829
    Langsam pflügte sich das Boot durch das braune Wasser zur Strommitte. Das kleine Gefährt lag so tief im Fluß, daß es im trüben Licht eines Aprilabends aus der Entfernung fast so aussah, als sei es voller Wasser. Zwischen Blackfriars und Bankside machte es in der Mitte Halt. »Halt das Boot auf dieser Höhe«, kam Silas' Stimme vom Heck.
    Obwohl es schon ein Jahr her war, daß die nun zehnjährige Lucy für Silas zu arbeiten begonnen hatte, konnte sie sich immer noch nicht daran gewöhnen. Mittlerweile wurde aus der Großstadt eine solche Menge an Abwässern in die Themse geleitet und eine solche Menge an Kohlenstaub lag auf dem Fluß, daß nicht einmal die Gezeiten den Schmutz wegschwemmen konnten. Bei Flut war das Wasser trübe, bei Ebbe roch es widerwärtig. Zum erstenmal in der Geschichte starben die Fische im Fluß; ihre gesprenkelten, blasigen Kadaver lagen zwischen dem Müll auf den Schlammbänken. Senkte sich der dicke, gelbe Smog über die Stadt, wirkten Nebel und Fluß wie die gasförmige und flüssige Form ein und desselben dunklen, stinkenden Elements.
    Silas tauchte die Hände ins Wasser. Etwas Schweres stieß gegen das Boot. Er nahm ein Stück Seil, das zwischen seinen Füßen lag, knotete es um den Gegenstand im Wasser und befestigte das andere Ende an einem Ring am Heck.
    Danach fischte er wieder im Wasser herum. Mit einem zufriedenen Grunzen setzte er sich auf, öffnete die großen Hände mit den feinen Schwimmhäuten und zeigte Lucy ein halbes Dutzend Goldsovereigns und eine Taschenuhr. Dann beugte

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