London
Gitter herum zu lockern, bis er es endlich aufbekam. Dann befestigte er es wieder sorgsam, wenn auch mit dünnem Mörtel, so daß er es mit gezielten Hammerschlägen von beiden Seiten problemlos würde aufbrechen können. Schließlich kroch er in den Keller zurück, verschloß das vor dem dortigen Zugang liegende Gitter und ging. Von nun an konnte er vom Fluß aus durch den schmalen Gang in den Tower gelangen.
Drei Tage später wurden die konfiszierten Waffen unter scharfer Bewachung aus den Waffenschmieden in den Tower geschafft. Als die Karren bei Alfred vorfuhren, war dieser noch nicht fertig, so daß den Karrenlenkern nichts anderes übrigblieb, als wieder wegzufahren und später noch einmal wiederzukommen. Erst am Ende dieses Tages war Alfred soweit, daß die Waffen, die sorgfältig in Wachstuch gewickelt waren, auf die Karren verladen werden konnten. Die Wächter bemerkten, daß es sich um eine größere Menge von Waffen handelte, als man erwartet hatte. So rasch wie möglich fuhren sie, begleitet von Alfred, zu dem großen Lager.
Mehrere Männer halfen bei dem Transport der schweren Ladung in den Tower und die Wendeltreppe hinunter in den Keller, wo die Waffen an den Wänden gestapelt wurden. Als Alfred scheinbar beiläufig Osric aufforderte, beim Tragen zu helfen, achtete niemand weiter darauf. Selbst Ralph schöpfte keinen Verdacht. Warum sollte er auch, schließlich wurden die Waffen ja in den Tower gebracht.
Als die beiden Tore zum Keller wieder verriegelt wurden und eine Wache am Eingang postiert wurde, merkte niemand, daß Osric verschwunden war.
Er schuftete die ganze Nacht. Mit den Werkzeugen, die Alfred für ihn hereingeschmuggelt hatte, lockerte er die Steine vor dem Geheimversteck. Dann machte er sich daran, die Waffen in die geheime Kammer zu schaffen.
Alfred hatte alles bestens arrangiert. In jedem gerollten Wachstuch befand sich ein zweites, in das eine illegale Waffe eingewickelt war. Selbst nachdem die illegalen Waffen entfernt waren, schienen es also noch immer so viele Waffen zu sein wie vorher. Zwei Stunden vor Morgengrauen hatte Osric alles in dem Versteck untergebracht. Er legte die Steine zurück an ihre Stelle und befestigte sie wieder mit ein wenig Mörtel. Nun mußte er nur noch das Gitter über dem Abfluß entriegeln und hineinklettern, es hinter sich wieder verschließen und durch den Abfluß hindurch zum Flußufer gelangen.
Er verzögerte die Sache jedoch etwas. Zuerst warf er noch Staub auf die frischgemauerte Wand, um den feuchten Mörtel zu verbergen. Dann durchforstete er mit der Lampe in der Hand noch einmal sämtliche Ecken, um sicherzugehen, daß auch nichts auf seine Anwesenheit hinwies. Als er endlich zufrieden war, dämmerte es bereits. Er war gerade auf dem Weg zu dem westlichen Kellerraum, als er plötzlich hörte, wie die schwere Eichentür am Fuß der Treppe quietschend aufging.
Ralph hatte keinen Schlaf gefunden. Er war zu aufgeregt. Der König persönlich hatte bereits seine Zufriedenheit über die Waffenoperation geäußert, und nun hatte Ralph beschlossen, im frühen Morgengrauen sein Werk noch einmal zu begutachten.
Er hielt eine Fackel hoch und lief den großen Westkeller ab, in dem die Waffen lagerten. Zufrieden lächelnd blickte er auf sie. Dann sah er Osric, der schlafend, mit dem Rücken an die Wand gelehnt, auf dem Boden kauerte. Was zum Teufel tat dieser Bursche hier? Ralph hielt die Fackelflamme an sein Gesicht, bis dieser blinzelnd aufwachte. Osric lächelte.
»Gott sei Dank seid Ihr gekommen, Sir!« sagte er. Offenbar war er in der vergangenen Nacht hier unten vergessen worden. »Ich habe immer wieder an die Tür gehämmert und geschrien«, erklärte er, »aber niemand ist gekommen. Ich bin die ganze Nacht hier unten gewesen.«
Argwöhnisch blickte Ralph sich um, dann inspizierte er Osric, der innerlich dem Herrgott dankte, daß er daran gedacht hatte, seine Werkzeuge und den Schlüssel zu dem Abflußgitter in den Brunnen zu werfen.
Ralph fand nichts Verdächtiges. Er dachte nach. Der Bursche sagte wohl die Wahrheit. Und weil er an diesem Morgen so guter Laune war, machte er sogar einen kleinen Witz. »Nun, Osric«, sagte er, »damit warst du wohl der allererste Gefangene im Tower!« Dann ließ er ihn gehen.
Im Juni wimmelte es in London von Söldnern. Jeden Tag wurde die Invasion erwartet. Die Stadt war so aufgeregt wie nie seit 1066. Es wurde Juli; dann August. Soldaten kamen und gingen. England wartete, doch noch immer zeigte sich kein
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