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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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dem Boden der Werkstatt verstecken konnte. Alfred hatte dem Dänen aus Loyalität heraus gedient. Doch als seine Familie immer umfangreicher wurde, kam er diesen Aufträgen immer zögernder nach. Und als er vor einem Monat einmal nachgesehen hatte, wie viele Waffen tatsächlich unter seinem Fußboden lagerten, war er sehr erschrocken. Wenn nun die Normannen seine Waffenschmiede durchsuchten und diese Waffen fanden?
    »Ich habe Angst«, gestand er Barnikel. »Und ich glaube auch, daß es allmählich eine Zeitverschwendung ist. Die meisten Engländer haben Wilhelm inzwischen akzeptiert. Wahrscheinlich würden sie nicht einmal für die Dänen kämpfen.«
    Barnikel schnaubte zwar vor Wut, konnte es jedoch nicht leugnen. Natürlich würde sich London mit jedem König arrangieren, doch bei mehreren der kleineren Aufstände in den letzten zehn Jahren hatten die Engländer auf dem Land tatsächlich Seite an Seite mit den verhaßten Normannen gekämpft, und zwar aus dem einfachen Grund, weil solche Aufstände eine Bedrohung für die Ernte darstellten.
    »Du bist ein Verräter!« stellte Barnikel wütend fest.
    »Und was sind dann deine Kinder?« gab ihm Alfred zurück.
    Dies war ein harter Schlag, der den Dänen schwer traf. Alfred wußte, daß die erwachsenen Söhne des Dänen wenig Neigung zeigten, bei den geheimen Aktivitäten ihres Vaters mitzuwirken. »Wenn der König von Dänemark eintrifft, dann werden wir Dänen sein«, hatte der jüngste Sohn ihm unlängst erklärt, »aber nicht früher.« Diese Einstellung war zwar vernünftig, doch Alfred wußte, daß Barnikel darüber zutiefst enttäuscht war.
    Nun sah Alfred, daß der alte Mann sehr verletzt war, und vielleicht willigte er aus diesem Grund ein, das zu tun, was Barnikel von ihm verlangte. Aber er tat es mit großen Vorbehalten.
    Im Dezember dieses Jahres wurde Barnikel höflich zu einem Treffen mit Silversleeves gebeten, was ihn sehr überraschte. Der langnasige Normanne hatte es inzwischen zu großem Reichtum und Ansehen gebracht. Vor seinem Eingang stand ein bewaffneter Wachposten. Zwei Angestellte arbeiteten an einem Tisch in seiner großen, steinernen Halle. Er selbst war ein Kanoniker von St. Paul's. Erzbischof Lanfranc persönlich hatte ihm seine Aufwartung gemacht, und obgleich dieser strenge Reformator den klerikalen Kaufmann sogleich als das erkannt hatte, was er war, war er doch zu klug, um mehr gegen den großzügigen Kanoniker und Stiftsherrn von St. LawrenceSilversleeves zu unternehmen, als ihn zu ermahnen.
    Nachdem der Normanne Barnikel ausgesprochen höflich begrüßt hatte, bat er ihn, Platz zu nehmen, und trug dann mit ernster Stimme sein Anliegen vor. »Es hat mir lange auf der Seele gelegen, Hrothgar Barnikel, daß ich Euch eine gewisse Summe schulde, die ich von Leofric übernommen habe. Lange schon wollte ich diese Schuld tilgen, doch es handelte sich ja um eine beträchtliche Summe. Aber nun, glaube ich, bin ich in der Lage, Euch die Summe voll zurückzuzahlen, wenn Ihr denn mein Angebot annehmen wollt.«
    Eine Weile fiel Barnikel vor Überraschung nichts ein. Die Schuld in voller Höhe zurückerstattet? Er dachte an seinen demütigenden Besuch im Judenviertel. Bislang hatte selbst er, der doch vor keiner Schlacht zurückschreckte, nicht den Mut aufgebracht, ein weiteres Mal dorthin zu gehen. »An was habt Ihr denn gedacht?« fragte er schließlich.
    Silversleeves hob eine Pergamentrolle vom Boden auf und strich sie auf dem Tisch glatt. »Ein Anwesen, das eben in meine Hände gelangt ist«, sagte er. »Vielleicht kennt Ihr es ja. Deeping heißt es.« Barnikel kannte es tatsächlich. Es lag an der Ostküste, etwa fünfzehn Meilen entfernt von den Ländereien, die er bei der Eroberung verloren hatte. Obwohl er persönlich nie dort gewesen war, wußte er, daß das Land an diesem Küstenabschnitt sehr fruchtbar war, und die sächsische Aufstellung wies darauf hin, daß dieses Anwesen vielleicht sogar mehr wert war als die fragliche Schuld.
    »Denkt in Ruhe darüber nach, wenn Ihr wollt«, sagte Silversleeves. »Ich habe bereits einen Vertrag aufsetzen lassen, falls Ihr daran interessiert seid.«
    Barnikel stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. »Ich nehme es«, sagte er. Und von da an schien es wieder aufwärtszugehen mit ihm.
    Im Winter 1084 wurde eine weitere große Steuer erhoben, die schwer auf London lastete, doch auch auf dem Land wurde kein Dorf verschont. Die Spannungen wuchsen. An der Ostküste wurden zusätzliche Verteidigungen

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