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London

London

Titel: London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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DomesdayUntersuchung in Auftrag. Das gesamte Land, Dorf für Dorf, sollte von seinen Beamten untersucht werden; jedes Feld, jedes Schlagholz sollte abgemessen und bewertet werden, jeder Freie, jeder Leibeigene und der gesamte Viehbestand sollten gezählt werden. »Er übersieht kein einziges Schwein«, sagten die Leute mit einer Mischung aus Ehrfurcht und Verachtung. Am Ende hatte König Wilhelm die Grundlage für eine äußerst effiziente Besteuerung.
    Er hatte natürlich auch Glück. Die meisten Feudalherren in Europa hätten derartige Ermittlungen nie zugelassen. In seinem eigenen Fürstentum, der Normandie, versuchte Wilhelm so etwas nie. Doch in England waren ihm die meisten Landbesitzer persönlich verbunden und deshalb gefügig.
    An einem sonnigen Aprilmorgen kehrte Alfred in das Dorf in der Nähe von Windsor zurück, das er als Junge verlassen hatte. Er hatte schon länger vorgehabt, seine Familie zu besuchen, und war nun ziemlich aufgeregt.
    In den Jahren nach der Eroberung hatte sein Vater die Pacht auf eine Reihe von Äckern erworben, für die er mit Geldleistungen bezahlte. Bei seinem Tod hatte er einige dieser Acker Alfred überlassen, der die Geldleistungen übernahm, während sein Bruder sich um die Bebauung des Landes kümmerte. Alfred hatte dadurch ein kleines Zusatzeinkommen und auch eine Verbindung zu seiner Familie. Da die Domesday-Beamten bald in die Gegend um Windsor kommen sollten, hatte er beschlossen, kurz heimzukehren und sicherzustellen, daß seine Ansprüche ordnungsgemäß festgehalten wurden.
    Er stieß auf eine muntere, lebhafte Szene. Das große Feld war bereits gepflügt, die Samen waren eben gesät worden, und nun wurde es mit der Egge bearbeitet, bevor die Vögel die Samen auffressen konnten. Er sah die alte Schmiede mit ihrem Holzdach, den Amboß seines Vaters, roch den vertrauten Kohlengeruch. Nichts hatte sich verändert.
    Doch obwohl sein Bruder und dessen Familie ihn herzlich begrüßten, lag etwas in der Luft, das Alfred störte. Er hatte jedoch keine Zeit, seinen Bruder danach zu fragen, denn eben trafen die Vermesser ein. Es waren drei, zwei Franzosen und ein Londoner, der bei der Übersetzung half. Der Gemeindevorsteher, der Verwalter des Gutsherrn, führte sie herum.
    Sie waren fast fertig, als sie bei der Schmiede ankamen. Einer der Beamten entfernte sich mit dem Londoner, um die Wiese zu inspizieren, der andere ging mit dem Gemeindevorsteher um die Häuser herum. Sie begutachteten auch die Schmiede. Der Beamte blickte fragend auf den Gemeindevorsteher, der auf Alfreds Bruder deutete und meinte: »Ein guter Mann. Er leistet Dienste für sein Land.« Alfred starrte seinen Bruder an. »Du zahlst doch Geldleistungen!« Doch sein Bruder sagte nichts, und der Verwalter machte sich eine Notiz auf seiner Schiefertafel.
    »Und der da?« Nun blickten sie auf Alfred.
    »Ich bin Alfred der Waffenschmied aus London. Ein freier Bürger. Ich zahle Pacht.«
    Der Verwalter bestätigte nickend die Pacht, und der Beamte wollte es gerade aufschreiben, als sein Kollege nach ihm rief, weil er ihm etwas auf der Wiese zeigen wollte. Alfred wandte sich an seinen Bruder. »Was soll das heißen?« fragte er ihn. »Bist du ein Leibeigener?«
    Und dann kam es heraus. Es waren harte Zeiten, nicht genug Arbeit für die Schmiede und zu viele Mäuler zu stopfen. Alfred verstand. Freie Männer zahlten Pacht und Steuern an den König. Es war nicht ungewöhnlich, daß ein freier Bauer, der diese Lasten nicht tragen konnte, seinen Herrn mit Diensten bezahlte und sich damit in die Leibeigenschaft begab. »Was macht es denn schon für einen Unterschied?« fragte sein Bruder matt.
    In seinem alltäglichen Leben wohl kaum einen. Aber das war Alfred nicht wichtig. Wichtig war, daß sein Bruder aufgegeben hatte. Dann blickte er auf die Frau seines Bruders und sah, was sie dachte: Wenn dieser reiche Bruder aus London uns das Land, das er hier hat und nicht braucht, überlassen würde, dann würde es uns bessergehen.
    In diesem Augenblick wurde Alfred plötzlich wütend. Die innere Stimme, die ihn daran erinnerte, daß er vielleicht auch hungern würde, wenn nicht Barnikel gewesen wäre, brachte er sofort zum Schweigen. Als meine Chance kam, habe ich sie ergriffen, erinnerte er sich. Er blickte seinen Bruder verächtlich an und sagte: »Ich hoffe nur, daß unser Vater dich jetzt nicht sehen kann!«
    Als der französische Landvermesser zurückkam, stellte er keine weiteren Fragen. Nach einem schnellen Blick auf die

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