Londons Albtraum-Nächte
verhielt sich sehr ruhig. Nur sein heftiges Atmen zeugte davon, dass er nervös war.
Die Ratten schienen sich zu amüsieren. Sie machten einen schon putzigen Eindruck, wie sie da dicht aneinander gerückt auf der Fensterbank hockten und in die Küche spähten.
Suko bewegte sich als Erster von uns. Er ging zunächst zur Seite und dann auf die Tür zu.
»Du kommst mit, John?«
Ich stieß meinen Atem aus. »Sicher.«
Jetzt übernahm Tom Brixon das Wort. »Aber Acht geben«, flüsterte er. »Sie sind gefährlich.«
»Keine Sorge.«
Suko hatte bereits die Küche verlassen. Ich folgte ihm und hielt den Kopf so gedreht, dass ich die Ratten beobachten konnte. Bestimmt nahmen sie unsere Bewegungen zur Kenntnis, aber sie reagierten nicht darauf, und als ich in den kleinen Flur ging, hatte ich sie aus den Augen verloren.
»Kannst du dir einen Grund vorstellen?«, fragte Suko.
»Nur schlecht. Es ist möglich, dass sie uns aus dem Haus locken wollen.«
»Kann sein.«
Wir öffneten die Wohnungstür und erreichten den Hausflur. Ob die Ratten von den draußen wartenden Polizisten gesehen worden waren, das hatten wir nicht erfahren. Jedenfalls sprach niemand davon. Auch der Beamte an der Tür hatte sie nicht gesehen. Er hielt seine Wache und sorgte dafür, dass kein Unbefugter das Haus betrat. Bisher hatten sich auch noch keine Reporter eingefunden, und die Neugierigen von der Straße waren ebenfalls verschwunden.
Der Kollege schaute uns nur kurz an, als wir an ihm vorbeigingen. Wir wandten uns nach rechts. Dort fiel der Lichtschein aus dem Fenster der Küche. Er hätte die Ratten sichtbar machen müssen. Die Fensterbank war leer.
Ich murmelte eine Verwünschung, wollte hingehen, als Suko mich festhielt. »Sie sind noch da, John.«
»Wo?«
Er wies auf den Rand des Gehsteigs. Genau dort, wo er und die Straße sich trafen, hielten sich die Tiere auf. Sie bildeten eine dicke Masse und merkten sehr wohl, dass wir uns für sie interessierten, denn kaum spürten sie unsere Blicke, da bewegte sich das Knäuel und löste sich in zahlreiche Einzelteile auf.
Sie liefen weg!
Es war keine Flucht, das stellten wir bereits in den ersten Sekunden fest. Normalerweise wären sie gerannt, aber uns beiden kamen sie vor, als wollten sie uns auf etwas aufmerksam machen. Es fehlte nur noch, dass sie ihre Köpfe gedreht und zurückgeschaut hätten, um uns zu locken. Das brauchten sie nicht, denn wir nahmen augenblicklich die Verfolgung auf.
Die Tiere blieben auf der Straße. Immer dicht am Gehsteig. So waren sie zu Gossenflitzern geworden, und sie verhielten sich sehr diszipliniert. Ich kannte mich bei Ratten nicht besonders aus, aber sie hier kamen mir vor wie ferngelenkt.
Wir konnten fast normal bei unserer Verfolgung laufen, und wir brachen sie auch nicht ab. Bei näherem Nachdenken konnte man den Kopf schütteln. Eigentlich hätten wir einen brutalen Killer jagen müssen. Stattdessen liefen wir irgendwelchen Ratten hinterher, aber wir ließen uns dabei von unserem Gefühl leiten.
Außerdem hatte das Erscheinen der Ratten einen Sinn. Es konnte sein, dass sie uns als einen Gefahrenherd erkannt hatten und nun versuchten, uns in eine Falle zu locken.
Wir hatten die Absperrung längst hinter uns gelassen, als die Ratten es sich anders überlegten. Sie liefen jetzt schneller und überquerten die Straße.
Ihre Füße bewegten sich trippelnd. Auch jetzt bildeten sie noch einen Pulk, erreichten die andere Seite, gerieten für einen Moment in das Streulicht einer Laterne, so dass wir ihr feucht glänzendes Fell erkannten, und setzten den Weg dann fort.
Dass sie nicht ewig laufen würden, war uns schon klar. Irgendwo würden sie einen Unterschlupf aufsuchen. So etwas wie ein Rattenheim. Oder aber einen Zugang in die Kanalisation.
Es passierte nichts von alldem. Sie blieben auf dem Gehsteig und dabei nahe an der Wand. Dort sah es aus, als würden sie an einem Faden hängen, der immer weitergezogen wurde.
Dann waren sie weg!
So schnell, dass ich nichts mitbekam. Dafür Suko, der mir ansah, worüber ich mich ärgerte.
»Kein Problem, ich weiß, wo sie stecken.«
»Hoffentlich.«
Suko erreichte als Erster die offene Tür eines Hauses. Es unterschied sich in nichts von den anderen Bauten, das war uns schon aufgefallen. Trotzdem konnte man das Haus nicht mit den übrigen vergleichen, denn es stand leer.
Hier gab es keine Mieter. Es fiel auch kein Licht aus den Fenstern. Eine offene Tür. Ein Haus bereit zum Abbruch, wobei der Bau daneben
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