Londons Albtraum-Nächte
ist er auch nicht. Der lief nicht auf vier Beinen.«
»Das muss er auch nicht unbedingt«, klärte ich den Mann auf. »Es kann auch ein Wolf gewesen sein, der sich auf zwei Beinen weiterbewegt.«
Rudy wollte lachen, was ihm nicht so recht gelang. »Gibt es denn so etwas überhaupt?«
»Schon. Die Natur leistet sich manchmal bestimmte Launen. Wir denken deshalb an einen Wolf.«
»So einen kenne ich aber nicht.«
»Ein Werwolf«, sagte ich leise, damit nur er es hören konnte. Ich wollte seine Freunde nicht verängstigen.
Dafür sorgte schon Rudy. »Werwolf?«, wiederholte er laut. »Das kann nicht wahr sein. So was gibt es nicht. Verdammt, da muss ich doch lachen. Nein, kein Werwolf.«
Mit dieser Meinung stand Rudy allein. Einer aus der Gruppe sagte mit leiser Stimme. »Wir haben darüber gesprochen. Auch über Werwölfe. Eigentlich über alles.«
»Das sind doch keine Beweise.«
Suko mischte sich ein. »Habt ihr denn was von ihm gehört? Irgendwelche Schreie oder Laute?«
Sie schwiegen.
»He, was ist mit dir, Rudy?«
Der Angesprochene schaute Suko an. »Ja, verdammt, ja. Wir haben etwas gehört.«
»Und was?«
»Ein Heulen. Aber anders als das einer Sirene. Das Heulen in der Nacht. Es klang grauenvoll. Das... das war ein richtiger Schauerschock. So was haben wir noch nie zuvor gehört. Ein Tier kann nicht so schreien wie diese verdammte Gestalt. Wir drehten fast durch, als wir das hörten und sind vor Angst... ach... es ist ja alles Scheiße. Da muss ein Tier aus dem Zoo ausgebrochen sein. Mehr kann ich dazu auch nicht sagen.«
»Genau das glauben wir nicht.«
»Wie?«
»Es ist kein Tier!«, erklärte Suko. »Zumindest kein Tier im eigentlichen Sinne. Und es kommt noch etwas hinzu. Ich denke dabei an die Ratten. Wir haben sie verfolgt. Sie sind euch nicht neu, denke ich. Jetzt meine Frage: Wann sind sie euch über den Weg gelaufen? Auch bei der Begegnung mit dem Tier? Mit dem Unbekannten? Habt ihr da die Ratten in der Nähe gesehen?«
»Ja«, meldete sich eine Stimme aus dem Hintergrund. »Sie rannten hier über den Platz, und sie waren nicht weit von ihm entfernt.«
»Wann ist das gewesen?«, wollte ich wissen.
»Gestern«, flüsterte der Sprecher. »Es ist gestern Nacht gewesen. Wir wollten schon abhauen, aber Rudy hat uns noch mal überzeugen können, dass wir bleiben. Mehr kann ich nicht sagen. Aber was ich sage, das stimmt alles. Echt.«
Auch Rudy nickte jetzt und musste sich von mir die Frage anhören, wohin die Bestie lief.
»Immer zu den Häusern hin, wo die Menschen sind«, sagte er und wischte über sein Gesicht.
»Was noch?«
»Nichts mehr, gar nichts.« Er senkte den Kopf.
»Habt ihr ihn auch in dieser Nacht gesehen? Die Ratten waren schließlich unterwegs.«
»Nein, heute nicht. Ehrlich nicht. Er kam uns nicht entgegen. Kann sein, dass er noch kommt. Nur ihr habt hier... ähm...«
»Schon gut«, sagte ich und fuhr fort: »An eurer Stelle würde ich den Platz wechseln. Einen besseren Rat kann ich euch nicht geben. Ist das verstanden?«
Sie gaben uns keine Antwort. Ihrem Verhalten allerdings sahen wir an, dass unsere Worte auf fruchtbaren Boden gefallen waren. Zumindest gab es keinen, der widersprach.
Rudy bewegte sich als Erster. Er drehte sich von mir weg und erklärte seinen Kumpels, dass sie zusammenpacken sollten. Sie taten es, ohne zu murren, und wir hatten hier nichts mehr zu suchen. Mehr würden sie uns nicht sagen können.
Hatte es Sinn, das Gelände abzusuchen? Ich wollte das nicht allein entscheiden und sprach mit Suko darüber, der mich sehr grüblerisch anschaute.
»Sag nicht, dass du nachdenkst, Alter.«
»Doch, das tue ich.«
»Und? Bist du zu einem Ergebnis gekommen?«
»Nicht ganz.« Er legte seine Stirn in Falten. Ein Zeichen bei ihm, dass ihn etwas beschäftigte. »Du wirst es kaum glauben, John, aber ich habe schon ein Problem.«
»Welches?«
»Der Killer ist immer über dieses Stück Brachland gelaufen.«
»Nur einmal.«
»Klar, einmal haben sie ihn gesehen. Was nicht bedeutet, dass er den Weg nicht öfter genommen haben kann.«
»Stimmt auch.«
»Und unsere Freunde, die Ratten rannten auch in diese Richtung weg und sind verschwunden.
»Meinst du, dass sie sich hier versteckt halten?« Ich wusste noch immer nicht, worauf Suko hinauswollte.
»Nein, das meine ich nicht. Oder nicht direkt. Sie könnten hier einen Schlupfwinkel haben. Ich bin sicher, dass hier mal ein Haus gestanden hat. Oder auch mehrere. Und Häuser besitzen auch Keller. Wenn sie
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