Londons Albtraum-Nächte
können.«
»Unsinn.«
Ich fand Suko vor dem Computer sitzend, ein Bild, das ich nur selten bei ihm erlebte. »He, hast du neuerdings ein anderes Hobby?«
»Nein, aber ich schaue etwas nach.«
»Was denn?«
»Es geht um Soho und genau um den Flecken, auf dem wir uns bewegt haben.«
»Und weiter?«
»Ich will herausfinden, wann die Häuser gebaut worden sind. Die Stadt London ist auf ihre Geschichte besonders stolz, und bestimmte Daten und Vorgänge hat sie auch ins Internet auf eine eigene Webseite gestellt. Es kann sein, dass ich eine Spur finde.«
»Zum Werwolf hin?«
Er hob die Schultern. »Möglich ist alles. Ich bewege mich im Moment in der Vergangenheit. London hat wirklich eine tolle Geschichte. Und nicht nur die Stadt. Fast jede Straße ist was Besonderes. Natürlich auch in Soho. Da kommt schon einiges zusammen.«
»Auch bei dem Block, den wir kennen?«
»Ich bin soeben dabei.«
»Super.«
Ich wollte Suko nicht stören und holte mir einen Stuhl. Den stellte ich in die Nähe meines Freundes, streckte die Beine aus und machte es mir bequem.
Shao bot mir einen Tee an. Ich lehnte ihn ebenso ab wie den Kaffee. Zu lange wollte ich auch nicht bleiben. Von einer Position aus sah ich Suko’s Gesicht. Es hatte seinen neutralen Ausdruck verloren und kam mir angespannter vor. Ich wollte ihn auch nicht stören, denn er schaute sehr konzentriert auf den Bildschirm.
Shao ließ ihn ebenfalls in Ruhe. Als sie sich durch das Zimmer bewegte, da schlich sie nur und blieb hinter Suko stehen, um ebenfalls einen Blick auf den Bildschirm zu werfen. Das lange Haar hatte sie hochgebunden. Zum gelben Sweat-Shirt trug sie eine grüne Samthose mit leicht ausgestellten Beinen.
»Das ist es doch«, sagte Suko leise.
Ich sprang sofort auf seine Bemerkung an. »Was meinst du damit?«
»Hier, die Vergangenheit des Viertels. Die Häuser sind wirklich alt. Kurz nach Baubeginn ist etwas passiert. Das liegt jetzt ungefähr hundert Jahre zurück.«
»Was war los?«
»Da hat es einen Mord gegeben.«
Gespannt sah ich ihn an. »Wer ist denn umgebracht worden?«
»Ein Mann. Das ist wohl während der Bauzeit geschehen. Man hat ihn erschlagen.«
»Was war der Grund?«
»Suko zuckte mit den Schultern. »Das steht hier nicht.«
Ich stand auf und ging zu den beiden Freunden. Shao hatte ihre Arme um Suko’s Hals und um die Schultern geschlungen, und auch sie blickte auf den Schirm.
Beide rückten etwas zur Seite, damit ich den Text lesen konnte. Nun ja, sehr ausführlich war er nicht. Man schrieb von einem fürchterlichen Vorgang, der sich in der Bauzeit abgespielt hatte. Da war ein Mann gelyncht und dann irgendwo verscharrt worden.
»Ist das die Lösung?«, fragte Shao leise.
»Könnte sein.«
»Zumindest ein Hinweis«, erklärte ich.
So sehr Suko sich auch bemühte, es gab keinen Text. Wir erfuhren nur technische Daten und auch einiges über den Bauherrn. »Es war die Stadt London gewesen. Sie hatte dieses Viertel errichtet, um die Industriearbeiter mit ihren Familien unterzubringen.«
Suko zeigte mir auch noch einige Grundrisse der Wohnungen. Nun bin ich alles andere als ein Architekt, doch selbst ich als Laie erkannte, dass die Grundrisse mit denen der Wohnung, die ich kannte, nicht mehr viel gemeinsam hatten. Da war im Laufe der langen Jahre an- und umgebaut worden.
Suko rollte mit dem Schreibtischsessel zurück, und Shao trat zur Seite. »Super, nicht? Das wollte ich nur wissen.«
»Meinst du, dass wir damit einen Hinweis auf den Mörder haben?«
»Möglich.«
»Einer, der verscharrt wurde?«
»Ja.«
So sicher war das Ja nicht. Wir alle schauten recht skeptisch aus der Wäsche. Zumindest konnte man von einem Anfang sprechen. Alles andere interessierte nicht. Daran konnten wir nichts ändern und mussten warten, bis sich der Killer wieder zeigte.
»Glaubt ihr denn, dass die Typen damals einen Werwolf in den Kellern des Hauses begraben haben?«, fragte Shao.
Suko und ich hoben gemeinsam die Schultern, weil wir keine Ahnung hatten.
»Es kann sowohl ein Mensch als auch ein Werwolf gewesen sein«, sagte ich. »Nur haben die Menschen damals nicht gewusst, wen sie möglicherweise wirklich begruben. Es kann in einer Phase gewesen sein, in der die zweite Persönlichkeit unterdrückt gewesen ist. Sie haben ihn als einen Menschen angesehen, als einen Mörder. Zumindest ist er für sie das gewesen. Und sie haben ihn nicht der Polizei übergeben, sondern begraben.«
»Möglicherweise sogar lebendig«, flüsterte Shao
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