Londons Albtraum-Nächte
Wobei das Kennen nicht der richtige Ausdruck ist. Ich weiß, wer wo wohnt, doch gesprochen habe ich noch nicht mit allen.«
»Wie sieht es mit allein stehenden Frauen aus, die hier leben?«
»Oh, da gibt es einige. Einmal die«, sie deutete mit dem Zeigefinger nach links, »und einmal die.« Jetzt wies der Finger in eine andere Richtung.
»Könnten Sie uns das erklären?«
»Klar, Mr. Sinclair, kann ich. Die Frauen, die ich zuerst angesprochen habe, lassen sich ansprechen. Um es einfacher zu sagen: Sie gehen auf den Strich. Die anderen haben normale Berufe.«
»Wie viele verteilen sich hier im Haus?«
»Das weiß ich nicht genau. Zehn bis zwölf allein stehende Frauen mögen es schon sein. Sie dürfen nicht vergessen, dass dieser Wohnblock ziemlich groß ist. Da sind praktisch vier Häuser zusammengebaut worden. Hinzu muss man die Anbauten zählen und die sonstigen Veränderungen. Das Haus ist ein Labyrinth.«
»Kennt sich Ihr Mann darin aus?«
Elisa Brixon hob die Schultern. »Sicher bin ich mir nicht. Aber ich kenne all die Ecken und Winkel auch nicht alle. Da kommt im Laufe der Jahre schon einiges zusammen.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
Suko lächelte die Frau an und erkundigte sich nach der Vergangenheit. »Und wie gut kennen Sie die alten Zeiten? Ich meine die, in denen das Haus gebaut worden ist?«
»Gar nicht. Da haben wir alle hier noch nicht gelebt.«
»Das ist klar. Ich könnte mir nur vorstellen, dass man ja etwas hört über ein Gebäude, das schon fast den Namen historisch verdient.«
Mrs. Brixon winkte schnell mit beiden Händen ab. »Nein, nein, sagen Sie das nicht. Historische Gebäude sind andere hier in London. Um diese Arbeiterbauten hat sich niemand gekümmert. Die hat man so eng errichtet, dass ich schon fast wütend werden kann. Um sie kümmerte sich kein Historiker, obwohl das mal interessant wäre. Hier könnte die Geschichte der Arbeiterbewegung aus einem anderen Blickwinkel geschrieben werden. Das müssen Sie mir glauben.«
»Dann gab es also hier nichts Auffälliges, von dem Sie erfahren haben, nehme ich an.«
»So ist es.«
»Hat es mal gebrannt?«
»Früher vielleicht. Seit ich hier wohne, nicht. Außerdem achtet mein Mann sehr darauf, dass die Sicherheitsbestimmungen eingehalten werden. Er ist dauernd unterwegs. Als Hausmeister hat er hier wirklich seine Bestimmung gefunden.«
»Stromert er auch durch die Keller?«
»Wenn es sein muss schon.«
»Gut.« Suko nickte. »Kann man sie auch wieder an einer anderen Stelle verlassen?«
»Nein, das glaube ich nicht. Es ist wie bei einer Einbahnstraße. Man kommt nicht raus, obwohl das Gebiet da unten verdammt groß ist. Viele Gänge und Verschläge. An einigen Stellen ist die Decke auch teilweise eingestürzt. Das hat mein Mann mir erzählt. Ich selbst bin nicht unten gewesen. Er hat sich sogar Balken besorgt und sie abgestützt, obwohl das nicht seine Aufgabe ist, aber die Besitzerin des Hauses, die Stadt, kümmert sich nicht darum.« Sie lächelte. »Manchmal denke ich, dass mein Mann zu gut für diesen Job ist. Oder zu gutmütig, obwohl er auch streng sein kann. Wenn es zwischen den Mietern mal Zoff gibt, sollten Sie ihn erleben. Da kennt er keine Verwandten. Als er sich noch nicht so richtig durchsetzen konnte, gab es mehr Ärger. Das hat sich heute gelegt. Vielleicht einmal im Monat muss er eingreifen.«
»Super«, sagte ich, »dann ist ja nach außen hin alles in Ordnung. Bis auf den Mord.«
»Ja«, flüsterte Elisa Brixon, »der hat uns alle hier reingerissen. Nicht nur mich. Ich habe ja mit den Mietern sprechen können. Sie haben Angst und hoffen natürlich, dass sich so etwas nicht wiederholt. Aber Sie denken anders.«
»Das stimmt.«
»Meinen Sie wirklich, dass der Killer noch mal zurückkehrt? Die Menschen hier tun keinem was. Sie sind harmlos. Niemand hat den Tod verdient. Das muss ich ihnen nicht erst sagen.«
»Sie haben ja Recht, Mrs. Brixon, doch Mörder ticken nicht normal. Es ist möglich, dass wir es hier mit einem Psychopathen zu tun haben, und das kann noch gefährlicher werden, weil der nicht nach einem bestimmten Plan vorgeht, sondern unberechenbar ist. Das alles muss man ins Kalkül ziehen. Er muss auch einen Weg gefunden haben, ungesehen ins Haus zu gelangen, denn er ist keinem Menschen aufgefallen. Oder haben Sie etwas gehört?«
Elisa Brixon schüttelte den Kopf. Dann meinte sie: »Wer will, kann hier immer ins Haus gelangen. Es gibt ja keine modernen Alarmanlagen. Und Einbrecher sind
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