Lonely Planet Reiseführer Berlin
Wandel gespeist wird. Mit mindestens 2000 Bands und Dutzenden Indielabels, wie BPitch Control, Get Physical und Shitkatapult, ist Berlin die unbestrittene Musikhauptstadt Deutschlands. Etwa 60 % der landesweiten Einkünfte im Musikgeschäft werden hier erzielt, 1998 waren es nur klägliche 8 %. Hier haben Universal Music und MTV ihre europäischen Hauptvertretungen, die für einen Großteil des Booms verantwortlich zeichnen. Und jeden September kommen auf der Berlin Music Week Labels, Agenten, Musiker, DJs, Clubbesitzer und Fans zusammen, um sich für sieben Tage ganz der Musik zu widmen.
POP, PUNK & ROCK VOR 1990
Berlin war seit Ende des Zweiten Weltkriegs die Speerspitze der meisten Musikinnovationen. Tangerine Dream gehörten Ende der 1960er-Jahre zu den Protagonisten des psychedelischen Sounds. Jenseits des Eisernen Vorhangs bekam Nina Hagen als Sängerin der Gruppe Automobil einen ersten Vorgeschmack auf ihre spätere Rolle als Berühmtheit. Jahre später wurde sie dann zur Diva des Punks gekürt, nachdem sie ihren Eltern in den Westen gefolgt war. 1977 gründete sie in Kreuzberg die Nina Hagen Band und begeisterte ihr jugendliches Publikum (und schockte deren Eltern) mit provokativen Texten, schriller Stimme und theatralischen Auftritten. Hagen war auch Wegbereiterin der Neuen Deutschen Welle (NDW) Anfang der 1980er-Jahre, zu deren Vertretern Berliner Bands wie DAF, Trio, die Neonbabies, Ideal oder UKW und in Ostberlin Rockhaus gehörten.
In den 1980er-Jahren betraten Die Ärzte die Bühne, die 2012 ihr 26. Al-bum auch veröffentlichten. Eine andere bahnbrechende Band aus dieser Zeit sind die Einstürzenden Neubauten, die mit Öltonnen, Bohrmaschinen und Kettensägen einen experimentellen, protoindustriellen Sound erfanden. Die Indierockband Element of Crime mit ihrem Sänger plus Schriftsteller Sven Regener betrat Mitte der 1980er-Jahre die Bühne.
Westlicher Rock und Popmusik waren in der DDR kaum präsent, aber dafür entstanden zahlreiche Ostrockbands. Die berühmtesten, wie die Puhdys, Karat, City und Silly, durften im Westen auftreten und hatten beidseitig der Mauer eine große Fangemeinde. An der Spitze der kleinen, aber vitalen Ostberliner Untergrundszene stand die Punkband Feeling B; zwei ihrer Mitglieder bildeten 1994 die Tanz-Metal-Band Rammstein. Ihre düsteren und provokanten Songs tragen sie zwar fast ausschließlich auf Deutsch vor, aber sie gehören zu den erfolgreichsten deutschen Musikexporten.
FRÜHER TECHNO
Ein exzellenter Dokumentarfilm über die frühe deutsche Technoszene ist We Call it Techno! von Sense Music & Media, der 2008 herauskam.
Zurück zum Anfang des Kapitels
POP, ROCK & RAP NACH 1990
Seit der Wiedervereinigung traten Hunderte Indie-, Punk-, Alternativ- und Gothicbands vor einem begeisterten Berliner Publikum auf. Zu den immer noch (oder wieder) aktiven Bands Die Ärzte, Element of Crime und Einstürzende Neubauten gesellten sich weitere Erfolgsbands wie die Alternativ-Punkrocker Beatsteaks, die 2004 ihren Durchbruch als Best German Act (beste deutsche Band) bei den MTV Europe Music Awards feierten.
Weitere Berliner Musikexporte kommen aus der Jazz/Break-Ecke mit Electrojazz und Breakbeats aus fetten Grooves, abgedrehten Samples und coolen Rhythmen. Die Remix-Stars von Jazzanova sind die unbestrittenen Champions der Downbeatszene. Sie gehören zum Label Sonar Kollektiv, das auch etliche erfolgreiche Künstler dieser Sparte vertritt, wie z. B. Micatone.
Kaum eine andere europäische Stadt hat eine so blühende Dancehall-Reggae-Szene wie Berlin. Die 1998 gegründete Band Seeed beherrschte jahrelang das Genre und brachte schließlich 2012 ihr mit Spannung erwartetes neues Album raus. Das Soloalbum Stadtaffe (2008) ihres Leadsängers Peter Fox war eines der meistverkauften Alben in Deutschland und gewann 2010 den Echo-Musikpreis als Album des Jahres. Kommerziell erfolgreich sind auch Culcha Candela, die im Wesentlichen den Seeed-Sound verpoppt haben und 2011 ihr fünftes Studioalbum Flätrate veröffentlichten.
Berliner Rap und Hip Hop haben eine große Fangemeinde, dank früher Lokalgrößen wie „Gangsta-Rapper“ Sido, Fler, Bushido und Kool Savas, die 1996 zusammen Masters of Rap (MOR) gründeten. Ebenso erfolgreich sind die Berliner Hip-Hopper Casper und Marteria. K.I.Z. indessen betrachten sich selbst als Parodie der Gangsta-Rapper und brachten 2011 ihr bislang erfolgreichstes Album Urlaub fürs Gehirn raus. Einen Überblick über die frühe Szene geben
Weitere Kostenlose Bücher