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Lonely Planet Reiseführer Berlin

Lonely Planet Reiseführer Berlin

Titel: Lonely Planet Reiseführer Berlin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Schulte-Peevers
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Restaurants an Filetsteak und Hummer, diskutierte Politik in verräucherten Cafés und tanzte auf kokainbenebelten Partys in mondänen Diskoschuppen am Kurfürstendamm. Anspruchsvolle Unterhaltung boten die Deutsche Oper und die Ku’damm-Theater, die ihr Publikum seit den 1920er-Jahren ­begeisterten.
    In Westberlin entstanden viele der neuen Popmusikrichtungen Deutschlands. Ende der 1960er-Jahre ertönte der psychedelische Sound von Tangerine Dream, ein Jahrzehnt später brachte die Kreuzberger Szene den Punk im SO36 und anderen Kultclubs auf die Bühne. Stammgäste im SO36 waren auch David Bowie und Iggy Pop, die Ende der 1970er-Jahre im gleichen Haus in Schöneberg lebten. Bowie, der seine Drogensucht in den Griff bekommen wollte und von Berlins Schwermut inspiriert war, schrieb hier teilweise seine Berlintrilogie (Low, Heroes, Lodger) und nahm sie in den berühmten Hansa Studios auf, die er „Hall by the Wall“ (Saal an der Mauer) nannte. Mehr Infos zur Westberliner Musikszene s. Klicken Sie hier .
    Funkwellen kennen keine Mauern, die Ostberliner konnten also Westradio und -fernsehen empfangen, obwohl sie offiziell weder zuhö­ren noch zuschauen durften; nur wenige westliche Stars durften in Ostberlin auftreten.
    Kultur war jedoch im Großen und Ganzen äußerst beliebt, besonders das Theater. Zu den renommierten Bühnen gehörten das von Bertolt Brecht gegründete Berliner Ensemble, die Volksbühne, das Deutsche Theater und die Staatsoper Unter den Linden. Die Menschen strömten auch in die schnieken Kinos Kosmos und International, beide in der Karl-Marx-Allee, um sich die neuesten Streifen aus den staatlichen Filmstudios der DEFA in Potsdam anzuschauen.
    Die Künstler in Ostberlin wurden jedoch in ihrer künstlerischen Freiheit massiv eingeschränkt. Liedtexte und Produktionen mussten genehmigt werden und Auftritte wurden überwacht. Einige beliebte Pop- und Rockgruppen, wie die Puhdys, Karat, Silly und City, reagierten auf die Zensur, indem sie Kritik hinter scheinbar harmlosen Meta­phern verbargen oder bewusst provokative Texte schrieben, deren Verbot sie voraussetzten.
    Viele Nonkonformisten erhielten Berufs- und Auftrittsverbot. Der Liedermacher Wolf Biermann erregte großes öffentliches Aufsehen, als ihm 1976 nach einer Konzerttour im Westen die Rückkehr in die DDR verweigert wurde, obwohl er ein passionierter, wenn auch systemkritischer Sozialist war. Als andere Künstler dagegen protestierten, wurden auch sie ausgebürgert oder zur Ausreise gedrängt, darunter Biermanns Stieftochter Nina Hagen, eine Ostberliner Schlagersängerin, die später zur Westberliner Punkpionierin wurde. Die Ostberliner Punkszene brachte Sandow und Feeling B hervor, deren Mitglieder später Rammstein gründeten.
    OSTALGIE
    Nachwendefilme wie der Kassenhit Good Bye, Lenin! (2003) beschrieben die DDR mit Humor und Komik. Sie schürten auch die Ostalgie (eine Zusammensetzung aus „Ost“ und „Nostalgie“) – eine Sehnsucht nach Aspekten des DDR-Daseins, die in den frühen 2000er-Jahren Berlin und Ostdeutschland erfasste. Plötzlich war es in, Vita Cola zu trinken oder T-Shirts mit dem Logo der Interflug (DDR-Fluglinie) zu tragen. Die Blechkiste Trabant erhielt Kultstatus und in Friedrichshain bot das Hostel Ostel „DDR-Design“ an. Die Ostalgie war auch überwiegend für den Erhalt des Ampelmännchens verantwortlich, des flotten Ostberliner Fußgängersignals.
    Heute ist Ostalgie nicht mehr so angesagt, und das nicht nur, seit ein anderer Film, Das Leben der Anderen (2006), die finstere Seite des Lebens in der DDR mit seinen zahllosen Stasi-Mitarbeitern offengelegt hat.
    DER 9. NOVEMBER 1989
    Matthias Rau ( www.matthiasrau-berlin.de ) wuchs in einem Brandenburger Dorf auf und zog 1971 nach Ostberlin, wo er seit 1984 thematische Stadtführungen anbietet. Hier ist sein Augenzeugenbericht von den Ereignissen am 9. November 1989:
    „Ich war mit Freunden in einer Kneipe, als sich plötzlich das Gerücht verbreitete, dass die Mauer geöffnet wurde. Das wollten wir nicht versäumen, also fuhren wir mit der S-Bahn zur Warschauer Straße und liefen herunter zur Oberbaumbrücke. Als wir dort kurz vor Mitternacht ankamen, herrschte absolutes Chaos. Menschenmassen drängten sich vor dem Stahltor neben dem Grenzkontrollhäuschen. Plötzlich öffnete sich das Tor, und da ich gerade davor stand, war ich der Erste, der durchging. Andere drängten hinter mir und von der anderen Seite kamen die Westberliner. Die Euphorie, die auf der

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