Long Tunnel. Ein Roman des Homanx- Zyklus.
Plastikverkleidungen hingen an mehreren Stellen, und er konnte hören, wie Wasser auf das undurchdringliche Mylar tropfte.
Sie bemerkte, in welche Richtung er schaute. »Ich glaube, ich erwähnte bereits, daß der größte Teil des bisher erforschten Höhlensystems lebendig ist.«
»Was meinst du mit lebendig?«
»Eine Höhle, die von Wasser durchflossen wird, befindet sich noch immer in einem Prozeß des Entstehens und der Veränderung. Es ist ein lebendiger Raum. Nur wenn dieser Raum völlig ausgetrocknet ist und so bleibt, wird er als tot betrachtet.«
»Ich verstehe. Eigentlich hätte ich das wissen müssen, obwohl die meisten meiner Studien auf den von mir besuchten Welten den Außenraum betrafen.«
Sie betrachtete ihn fragend. »Auf wie vielen Welten bist du denn schon gewesen? Ich war erst auf dreien. Auf meiner Heimatwelt Thalia Major, dann natürlich auf Thalia Minor und nun auf Long Tunnel. Und ich könnte Alaspin natürlich als vierte hinzuzählen.«
»Ich war schon auf mehr als vier Welten.« Er wollte sich nicht genauer äußern. Sie würde ihm wahrscheinlich sowieso nicht glauben. Statt dessen wechselte er das Thema, eine Kunst, die er schon vor Jahren perfekt beherrscht hatte. »Zweifellos sind hier alle sehr wachsam. Dennoch wirkst du weitaus entspannter, als ich dich je erlebt habe.«
»Sie wissen noch nicht, ob die Gefahr vorbei ist. Ich war bis zu unserer Landung völlig verkrampft und aufgeregt. Aber jetzt ist alles in Ordnung, vor allem seit die Sicherheitsmaßnahmen verstärkt wurden. Du hast ja gesehen, wie eine Landung auf Long Tunnel verlaufen kann. Es gibt nur einen Hafen und eine Landebahn. Entsprechend wenige Einrichtungen gibt es sonst nirgendwo. Man braucht nur den Hafen zu überwachen, und niemand kann dort starten oder landen, ohne zuerst den Sicherheitskräften in die Arme zu laufen. Du solltest es auch etwas lockerer angehen lassen.«
Das würde ich auch gern tun, sagte er sich, aber ich glaube, daß ich schon vor fünf Jahren vergaß, wie das geht.
Sie bogen wieder um eine Ecke und blieben vor einer Tür stehen, die sich in einer gelben Sprühwand befand. Clarity betätigte keinen Summer und meldete sich auch nicht vorher an. Sie trat einfach ein. Kein Scanner zwang sie zum Warten; keine Automatik meldete ihre Ankunft.
Nun, da er hier war, verstand er warum. Es gab auf Long Tunnel keinen Anlaß für innere Sicherheitsmaßnahmen. Um unbefugtes Eindringen zu verhindern, mußte man nur den Hafen und den vorderen Eingang überwachen, denn es gab keine Schlupfwinkel, durch die man sich hätte einschleichen können. Es erklärte auch, wie Claritys Enführer sie hatten hinausschmuggeln können. Sobald man einmal hineingelangt war, brauchte man nur einen einzigen Kontrollpunkt zu passieren, um wieder hinauszugelangen. Es gab wohl auch noch eine firmeninterne Sicherheitseinrichtung, aber das war eine andere Sache, vor allem wenn man versuchte, aus- und nicht einzubrechen.
Das Büro, das sie betraten, war sehr geräumig, zumal es einfach nur durch das beliebige Unterteilen einer großen Höhle herzustellen war. Was den Raum so interessant machte, waren Dutzende von Deckengewächsen. In diesem Büro hatte man sie unbehelligt gelassen. Glänzende Stalaktiten, Stalagmiten, Salzstöcke und Gipsspiralen funkelten im künstlichen Licht. Kalkstein und Wasser hatten das Büro weitaus prachtvoller dekoriert, als jeder Innenarchitekt es vermocht hätte.
Eine Klimaanlage war nicht notwendig. Die Temperatur im Büro war die gleiche wie im Korridor draußen. Es war kühl und etwas feucht. Auf der linken Seite, im hinteren Teil des Raumes, sprudelte Höhlenwasser perlend aus einem Riß in der Felswand und wurde von einem Auffangbecken im Fußboden abgeleitet.
Archivschränke, eine Couch, Büromöbel und Doppelschreibtische bildeten einen reizvollen Kontrast zu den natürlichen Formationen, die wie geschmackvolles Dekor erschienen. Die Frau, die sich hinter einem Schreibtisch erhob, war viel kleiner als Clarity. Ihr langes rotes Haar war nach hinten gekämmt und zu einem ordentlichen Knoten geflochten - messerscharfe Goldkristalle durchbohrten den Knoten an drei Stellen. Ihr Begrüßungslächeln war voller Wärme und einladend, die Stimme klang tief und kehlig, und ein Narcostäbchen klebte ihr in einem Mundwinkel zwischen den Lippen. Es störte sie nicht beim Sprechen. Ihr Schritt und ihr Händedruck waren gleichermaßen fest wie auch lebhaft.
Flinx schätzte sie auf Mitte Fünfzig und war
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