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Lord Gamma

Lord Gamma

Titel: Lord Gamma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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Fredericks Organisations-Assistenten Brendan auf eine schmale Holzbühne neben der Babalon-Konsole geführt worden, wodurch ich einen ersten flüchtigen Blick auf das Paneel werfen konnte. Es gab keine Tasten, nur eine schwarze Glasfläche. Mehr konnte ich nicht erkennen, der Blickwinkel war zu steil.
    Selten hatte ich erlebt, daß sich ein Mensch mit solch gezierter Tolpatschigkeit und indisponierter Wichtigkeit auf zwei Beinen bewegte wie Brendan. Er wirkte, als wäre er unter seinem schicken Zweireiher am ganzen Körper eingeseift. Offensichtlich hatte er während meiner Abwesenheit viel Zeit damit verbracht, seine Etepetete-Etikette zu perfektionieren. Als er uns zur Siegerehrung führte, bekam er das Maul nicht auf, verständigte sich lediglich durch gestelzt-geschmeidige Pantomime. Dabei sprach er mit Händen, Fingern und Augen, nickte und wackelte mit dem Kopf wie eine Geisha, wies, verwies, deutete und blähte ab und zu die Nüstern auf, wenn einer von uns sein Gehampel nicht sofort verstand. Schließlich hatte er uns in der Reihenfolge unseres Wiedererscheinens aufgereiht (wobei er Sebastian und mich unverhohlen wie Gewinner zweiter Klasse behandelte), als Leyton auch schon seinem Unmut Luft machte.
    Von Nikobal war bis zu diesem Zeitpunkt nichts zu sehen. Argwöhnisch suchte ich mit Blicken die Saalwände ab, beäugte die Intarsien, die Decke und die Raumecken. Nirgendwo konnte ich einen der Stationsläufer entdecken. Entweder hatten sie sich zu gut getarnt, oder es befanden sich tatsächlich keine Maschinen im Saal.
    Ich entschied mich für eine Flucht nach vorn. Ehe Leytons Vorschlag Zustimmung fand und man mich zu filzen begann, war ich an Frederick herangetreten und drückte ihm die Mündung der Browning in die Rippen. Er warf den Kopf herum, sah mich mit einer Mischung aus Entrüstung und Verblüffung an. Daß eine Waffe auf ihn gerichtet sein könnte, zog er nicht in Betracht.
    »Ja, Stan?« fragte er indigniert.
    Ich ergriff seinen Arm. »Wir beschleunigen die Zeremonie, alter Mann«, sagte ich leise, beobachtet von einem irritierten Brendan. »Sorg’ dafür, daß Prill heraufgeholt wird.«
    »Nachher«, entschied Frederick beherrscht und machte Anstalten, sich von mir loszureißen. »Nach der Siegerehrung!«
    »Nein, jetzt!« zischte ich. Ich packte Frederick am Revers, was ein aufgebrachtes Raunen unter den Bewohnern auslöste, und hielt ihm die Pistole unter die Nase. »Sofort!«
    Alle Gespräche verstummten. Drei Männer, womöglich Mitglieder der stationären Garde, näherten sich aus der Menge. Ich richtete die Waffe ins Publikum. »Niemand rührt sich!« rief ich, was dazu führte, daß alle Umstehenden zurückwichen. Wahrscheinlich hatte kaum einer von ihnen je eine echte Schußwaffe innerhalb der Station gesehen. Zwei der drei mutmaßlichen Sicherheitsgardisten schlenderten ungeachtet des silbernen Dings in meiner Hand weiter auf mich zu. Ich hob die Waffe, feuerte einen Warnschuß in die Luft. Das Projektil schlug in die holzgetäfelte Decke, aber die Bewohner erschraken sich mehr am Detonationsknall. Er ließ sie wissen: die Pistole war echt! Dementsprechend respektvoll wurde mit einem Mal auch ihre Distanz zum Podium. Auch Sebastian und die übrigen Gewinner zogen es vor, Abstand zu gewinnen.
    Frederick starrte auf die Pistole und war bemüht, als Bunkerpräsident Haltung zu bewahren. »Was soll das, Stan?« fragte er verärgert, wenn auch mit dünner Stimme. »Sind Sie von allen guten Geistern verlassen?«
    Statt zu antworten, schubste ich ihn von der Bühne. Sebastian stand noch recht wackelig auf den Beinen, ließ sich stützen. »Geh hinüber zur Konsole und schau dir das System an«, wies ich ihn an. Er reagierte nicht. Niemand bewegte sich mit einem Mal mehr. Kein Atmen, kein Blinzeln, nicht das geringste Geräusch. Die gesamte Szenerie um mich herum wirkte wie eingefroren.
    »Ich fürchte, das kann ich nicht zulassen, Stan!« sagte eine tiefe, sonderbar dumpf klingende Stimme hinter meinem Rücken. Die Waffe in meiner Hand wurde schwer, ihr Metall wirkte ein paar Grad kälter. Ich brauchte nicht lange zu überlegen, um zu wissen, wer hinter mir stand. Starr wie ein Zinnsoldat drehte ich mich herum, die Browning weiterhin im Anschlag. Als ihre Mündung auf Nikobal zeigte, war sie kaum mehr als eine Armlänge von seiner Brust entfernt.
    Der Lord lächelte. »Verlorener Sohn«, sprach er. »Ich freue mich, dich bei uns zu sehen.«
    »Keinen Schritt weiter!« rief ich, als Nikobal

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