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Lord Gamma

Lord Gamma

Titel: Lord Gamma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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Ende zu bereiten, so genoß er es. Er fühlte sich sicher oder besser gesagt: überlegen. Für ein Wesen mit seinen Fähigkeiten eine durchaus angemessene Einstellung. Ergo: Er wußte nichts von der Strahlenwaffe in meiner Tasche. Trotz allem war ich geneigt, die Gelegenheit zu ergreifen, gewisse Dinge aus der Sicht eines Lords zu erfahren. Zusammenhänge. Ihr Motiv. Die Möglichkeit, eine Wahrheit gegen die andere abzuwägen. Oder eine Lüge gegen die andere … Gab es überhaupt einen Grund, die Wahrheit zu sagen? Ich wechselte die Browning in die linke Hand. Wo könnte sich Nikobals Nervenzentrum befinden? Besaß er überhaupt eines? Oder gleich mehrere?
    »Nun, wie du willst«, meinte Nikobal schließlich. Er verschränkte die Finger, starrte auf die Waffe, beugte sich ein Stück nach vorne. »Sag, Stan: Wie viele Dimensionen nimmst du wahr, wenn du mich betrachtest?«
    Ich überlegte fieberhaft, was er im Schilde führte. Ich war ihm so gut wie ausgeliefert, warum also zögerte er? Um Zeit zu gewinnen und die Stationsläufer zu aktivieren? Er konnte mich überwältigen, ohne einen Finger zu krümmen. Ein einziger wütender Gedanke … Fand er etwa Gefallen daran, sich endlich einem Menschen zu offenbaren?
    »Nicht so schüchtern, Stan«, riß mich seine Stimme aus meinen Gedanken. »Es ist eine so simple Frage.«
    »Drei«, antwortete ich knapp.
    Nikobal wirkte erleichtert, als hätte er eine andere Antwort befürchtet, und erklärte: »Es sind vier, Stan.« Er lehnte sich entspannt zurück. »Die Landschaft, die Stationen, alles ist vierdimensional konstruiert. Die verborgene Dimension ist die Zeit.« Er deutete in die Runde. »Für die Geschöpfe um dich herum vergeht sie ebenso kontinuierlich wie für dich. Und doch trennen uns in diesem Raum zwei Welten. Du als gewöhnlicher Mensch nimmst Zeit als linear fortschreitendes Moment wahr. Für uns, und bald auch für viele dieser Menschen, ist sie ein Ganzes. Es ist nur eine Frage der zerebralen Neustrukturierung.« Nikobal tippte an seine Stirn.
    »Neustrukturierung?« Ich trat auf ihn zu. »Wer gibt euch das Recht, Menschen zu entführen?« brauste ich auf. »Euch in unsere Evolution einzumischen und Gott zu spielen?«
    »Das Schicksal, Stan«, antwortete Nikobal gelassen. »Der Lauf der Dinge. Das Sublime. In ihm bräuchten wir beide nicht einmal miteinander zu sprechen. Alles wäre bereits gesagt, alles gesehen, alles getan, und du würdest uns verstehen. Aber leider bist du nur ein gewöhnlicher Mensch. Oder um es sachlich auszudrücken: ein Konfliktfall auf mikroskopischer Ebene. Eine Wesensvorlage, die noch nicht optimiert worden ist. Manipuliermasse.«
    »Warum?« zischte ich. »Warum in über achttausend Stationen, warum mit fünf Millionen Klonen? Warum?«
    »Hat dir dein Informant noch nicht gesagt, was sie wirklich sind? Hat er dir nicht erklärt, warum es keinem von ihnen möglich ist, von einer Zone in die andere zu wechseln?« Der Lord schürzte die Unterlippe. »Oh, er ist vorsichtig, wie ich merke. Er vertraut dir nicht. Unverantwortlich von ihm, dich unserer Realität auszusetzen. Ich kann mir gut vorstellen, wie schockierend sie für dich sein muß. Aber deine Anwesenheit hier war nie geplant. Hätte jener, der sich Gamma nennt, dich nicht vom Sublime isoliert, hättest du von all dem nie erfahren. Du wärst im Flugzeug eingeschlafen und wieder aufgewacht und hättest am Ziel gemerkt, daß die Uhren ein paar Minuten nachgehen. Es wäre ein wenig Verwirrung entstanden, weil das Flugzeug für kurze Zeit von den Radarschirmen verschwunden gewesen wäre, aber weiter nichts.« Nikobal sah mich wie ein sprungbereites Raubtier von unten herauf an. »Verstehst du, Stan? Nichts! Ihr hättet nicht einmal geträumt.« Fast traurig fuhr er fort: »Doch nun … Ich sehe deine Narben, weiß um deine Fahrt über diese Ebene, um all das Wissen, das niemals für einen von euch bestimmt war. Und ich fühle deine Wut und deinen Haß, die daraus resultieren. Was soll ich nur mit dir machen, Stan? Ich fürchte, mir wird nichts anderes übrigbleiben, als dir die Narben deiner Reise und die Erinnerungen an die letzten Monate in diesem Zeitstrang wieder zu nehmen. Das Sublime erwartet dich. Ich werde dich an deinen Platz führen!« Nikobal deutete auf die Waffe in meiner Hand. »Nimm sie runter, Stan, dein Weg ist zu Ende. Glaubst du wirklich, ein dreidimensionales Geschoß könnte ein vierdimensionales Wesen ernsthaft verletzen?«
    Das Lächeln auf Nikobals Lippen

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