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Lord Gamma

Lord Gamma

Titel: Lord Gamma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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… als vorhin auf dem Paneel ein Unterdeck angezeigt wurde, ahnte ich, daß dieses Flugzeug – nicht mein Flugzeug ist. Und jetzt diese ganzen Menschen. Es sind zu viele. Ich bin mir nicht sicher, woher ich komme. Ich bin mir über gar nichts mehr sicher. Das, woran ich mich klammern kann, ist unerreichbar weit fort. Dein Körper. Dieser Ort. Alles ist falsch. Menschen wie Stein, Dinge entstehen einfach so. Wo ich herkomme, gibt es kein Oben und Unten.« Sie redet zusammenhanglos und monoton wie eine Maschine (vielleicht ist sie ja eine Maschine), sieht mich kurz an und sofort wieder zu Boden. »Herrgott, Stan, ich weiß selbst, wie idiotisch sich das anhört.«
    Ich will nicken, schüttle aber gleichzeitig den Kopf. Er vollführt Kreisbewegungen. Seetha-Brabbel-Maschine.
    »Ich kann mich nicht erinnern, ob ich in einem Zug oder in einem Flugzeug oder vielleicht nur in einem Bus eingeschlafen bin. Mir kommt es vor, als wäre es Jahre her. Es gab auf jeden Fall keine zwei Etagen.«
    Kuckuck! denke ich. Sinnigeres fällt mir nicht ein. Haben unsere Aufseher – unabsichtlich oder nicht – einen Fehler gemacht und Seetha mit Prill vertauscht? Wenn ja, dann würde es bedeuten, daß dieses Flugzeug nicht das einzige an diesem Ort sein kann. Was liegt jenseits der Dunkelheit dort draußen? Seethas Worte spuken mir im Kopf herum. Mein Körper sei falsch. Nicht gerade ein Kompliment, aber die Wahrheit, wenn ich an meinen eingedampften Nabel denke. Und an die verschwundenen Narben, doch dieser Umstand bleibt nur für mich unerklärlich. Und noch etwas beunruhigt mich: Alle Passagiere – Seetha eingeschlossen – tragen Reisekleidung, nur ich stecke in diesem Sträflings-Strampelanzug. Warum trage ich nicht die Klamotten, mit denen ich in New York in die Maschine gestiegen bin? Und: Warum können Seetha und ich uns ungehindert im Flugzeug bewegen, während alle anderen Passagiere zu dieser absonderlichen Starre verdammt sind? Langsam, aber sicher verstärkt sich in mir das Gefühl, daß Seetha und ich all das, was hier in den letzten Stunden vor sich ging, gar nicht hätten mitkriegen dürfen. Daß jene, die uns so überheblich, ja geradezu verachtend zu behandeln scheinen, gar nicht wissen, daß wir uns an Bord befinden! Daß wir wach sind und alles miterleben!
    Was hat es dann aber mit dem Koffer-Gnom auf sich? Und was hat Seetha vorhin tatsächlich am Fenster gesehen? Es ergibt alles keinen Sinn.
    »Stan …«
    Sollten die Verantwortlichen mit Seetha (und mir?) tatsächlich einen Fehler begangen haben, würden sie ihn früher oder später entdecken und korrigieren. Vielleicht sollten wir damit beginnen, uns bemerkbar zu machen, Radau zu schlagen …
    »Stan!«
    Ich schrecke auf, blicke Seetha an. »Was ist los?«
    »Die Türen!«

 
Alphard 12
     
     
    ICH LAG HALB AUF DEM KORRIDOR, halb in der Kammer, hatte beim Zusammensacken einen Teil der Wandverkleidung heruntergerissen. Benommen schlüpfte ich rückwärts zurück auf den Gang, spürte eine Hand auf meinem Rücken. Prill kniete neben mir, mit dieser hilflos-bekümmerten Miene, die ich bereits von Sebastian und ihrem Double in der Moths- Station kannte, als ich aus der Bewußtlosigkeit erwacht war. Ein Großteil der Sorgen, die sich in ihrem Gesicht widerspiegelten, fiel von ihr ab. Sie entspannte sich, als ich sie ansah. »Bist du okay?« fragte sie.
    Ich nickte, murmelte eine Entschuldigung, etwas von Babalon-Streß und Schlafmangel. Ausflüchte. In Wirklichkeit machte ich mir ernsthafte Sorgen. Vielleicht war es nur Einbildung, doch die Zugriffsintervalle des Sublime schienen kürzer zu werden. Hoffentlich passierte mir das nicht, während ich den Abluftschacht hinaufkletterte. Ich hatte Prill von Stans Quartier aus zu der versteckten Kammer geführt und war gerade dabei gewesen, den Wandbehang beiseite und die Tür aufzuschieben, als mich der Blackout überrascht hatte. Nachdem keine Menschenseele mehr die Station bevölkerte, hätten wir es natürlich auch durch den Haupteingang probieren können, doch wahrscheinlich erwartete man von uns genau das und hatte eine ganze Armada von Läufern am Ende des Liftes postiert. Ich konnte mir auch nicht vorstellen, daß der Wächter am Eingang von der Entvölkerung betroffen war.
    »Was ist dort?« fragte Prill, die an mir vorbei auf den Spalt im Stoff spähte. Die Dunkelheit beunruhigte sie. Ich drückte die Tür durch den Wandbehang etwas weiter auf. Mehr Dunkelheit und Kälte, die über den Boden

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