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Lord Gamma

Lord Gamma

Titel: Lord Gamma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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herausfloß.
    »Komm«, forderte ich sie auf. Natürlich blieb sie sitzen. Ich seufzte, kroch durch den Spalt und tastete im Dunkeln nach meinem Rucksack. Erst als ich die Lampe eingeschaltet hatte, streckte Prill ihren Kopf in die Kammer und sah sich um wie eine Katze. Ich zog sie behutsam zu mir herein. »Es ist nur ein kleiner Raum«, versicherte ich ihr und drückte, als sie neben mir hockte, die Tür wieder zu.
    Prill rieb sich frierend die Arme. Es war eine Kälte, die von innen kam: Prill hatte Angst. Als ich den Schlüssel aus dem Rucksack zog, beobachtete sie jeden meiner Handgriffe wie eine Kobra.
    »Was ist das?« Angewidert zog sie das Kinn an die Brust.
    »Ein Hut«, antwortete ich und teilte ihre Haare am Hinterkopf zu einem Scheitel. Prills Hand fuhr dazwischen und strich sie wieder glatt.
    »Blödsinn!«
    »Na gut, es ist ein Thermokissen. Es – stimuliert deine Muskeln. Man befestigt es am Nacken. Halt still …« Ich unternahm einen weiteren Versuch, sie zu überrumpeln, ehe sie in der Lage war, die Situation zu durchschauen. Prill wäre jedoch nicht Prill gewesen, hätte sie sich ohne Gegenwehr ein X für ein U vormachen lassen. Sie schüttelte den Kopf und kroch ein Stück von mir (besser gesagt: dem Schlüssel) fort.
    »Meine Muskeln?« schnappte sie. »Dieses Ding? An meinem Kopf?« Sie taxierte das Instrument. Ich sah ihr an, wie die Phantasiemaschine hinter ihrer Stirn arbeitete.
    »Und deine Reflexe«, fügte ich schnell hinzu. »Deine Motorik ist durch den langen Aufenthalt in der zweiten Ebene so beeinträchtigt, daß du ständig über deine eigenen Füße stolpern würdest.«
    »Ich bin noch nie über meine Füße gestolpert«, beschwerte sich Prill. »Nicht einmal in Babalon!«
    »Das warst nicht wirklich du.« Prill neigte den Kopf, ihre Augen sprachen Bände. »Zumindest nicht dein Körper«, korrigierte ich mich. Dann: »Ach, vergiß es.«
    »Moment«, meinte Prill. »So läuft das nicht, Stan. Seit ich wieder oben bin, habe ich das Gefühl, daß alle außer mir den Verstand verloren haben. Zuerst liegen im Club dreihundert Leute auf dem Fußboden, dann lösen sich alle in Luft auf, und jetzt willst du mir dieses Wabbel-Ding andrehen. Sind wir noch in Babalon? Ist das eine neue Runde? Ich habe Hunger, Stan! Ich will raus hier, ich will …« Prill rang verzweifelt nach Worten, in ihren Augen flackerte Hysterie auf. »Ich will jetzt endlich wissen, was los ist!«
    Statt einer Antwort packte ich sie blitzschnell mit dem freien Arm und zog sie zu mir heran.
    »Ah, nein! Stan! Stan!« kreischte Prill, warf sich in meinem Griff hin und her und strampelte mit den Beinen. Ich hielt sie fester, war mir bewußt, daß ich ihr weh tat, preßte ihr den Schlüssel in den Nacken. Sie stieß einen schrillen, panischen Schrei aus, der in der engen Kammer meine Trommelfelle schmerzlich vibrieren ließ. In Sekundenschnelle hatte sich der Apparat an Prills Nacken geklammert. Ihr Kreischen riß ab, doch ihr Gesicht blieb zur schreienden Maske erstarrt. Für einige Sekunden wirkte sie wie gelähmt, dann holte sie tief Luft, blinzelte und setzte sich ruckartig auf. Der Schlüssel haftete weiterhin an ihrem Hinterkopf. Sie schaute sich in der Kammer um, als müßte sie sich reorientieren. Unsere Blicke kreuzten sich, und sie sagte: »Schön, dich zu sehen Stan. Ich wußte, daß du es schaffen würdest. Allerdings scheint mir, als säßen wir noch in der Löwengrube.«
    Ich bedachte Prill mit einem ahnungsvollen Blick. »Ist alles in Ordnung mit dir?«
    »Das Bewußtseinsmuster der Frau wurde gelöscht«, entgegnete sie trocken. »Du darfst mich aber weiterhin mit ihrem Namen ansprechen, damit du nicht durcheinanderkommst.«
    Sekundenlang war ich sprachlos. »Gamma!?« stieß ich hervor. »Was in aller Welt …?«
    Gamma grinste listig und erhob sich, wobei er Schwierigkeiten zu haben schien, auf den Absätzen das Gleichgewicht zu halten. »Das Implantat, Stan. Es war verdammt viel Raffinesse von Nöten, diesen Klon damals unbemerkt auszutauschen. Wie findest du ihn?« Er hob Prills Brüste an, drehte sich im Kreis, studierte im Licht der Lampe mein Gesicht. »Schau nicht so verdutzt drein«, sagte er. »Dieses Geschöpf ist nur ein Behälter, wie alle anderen Klone. Habe ich dir das noch nicht gesagt? Oh, ich muß es versäumt haben, entschuldige. Ich fürchte, ich wollte dir den Spaß nicht verderben. Willkommen in Projektebene 866 094, mein Freund. Ich bin dein Fremdenführer. Entspann dich.« Gamma

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