Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lord Gamma

Lord Gamma

Titel: Lord Gamma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
Vom Netzwerk:
vermögen wir nicht mehr zu existieren. Das Sublime, so glaubten wir, kennt keine Zeit und besteht ewig. Zum ersten Mal hätten Menschen, Natur und Technik, Wissenschaft und Religion in Harmonie existiert. Zum ersten Mal wären alle Widersprüche aufgehoben gewesen.« Sie hob eine Hand und deutete in die Höhe. »Wir führten die Welt aus der Finsternis ins Licht. Seht, welche Vollkommenheit sie besitzt!«
    Die Superzelle verdunkelte sich. Es sah aus, als weiche das Weiß über uns vor einem majestätischen Körper zurück, der langsam durch eine dichte, strahlende Wolkendecke auf die Ebene niedersank. Er wurde größer und größer, bis er fast den gesamten Himmel ausfüllte. Ich blickte wie Gamma und Gennard nach oben, überwältigt vom Anblick des Planeten. Er schien zum Greifen nahe, und doch trennten uns Tausende von Kilometern. Womöglich war im Sublime selbst diese Entfernung nur eine Illusion. Der gesamte afrikanische Kontinent und die Antarktis waren zu erkennen. Gewaltige Wolkenwirbel umgaben die polare Eiskappe, wurden zum Äquator hin spärlicher und lösten sich über der Nordhälfte Afrikas auf. Die Meere waren von tiefem Ultramarin, der Kontinent selbst ockerfarben. Dort, wo Wälder ihn bedeckten, war seine Farbe schwarzgrün.
    »Es war ein unverzeihlicher Fehler, unentwegt nach vorne zu blicken und den Kosmos, aus dem wir stammen, zu ignorieren«, sprach Rovennah. »Die Erde vollendet das Sublime. Doch jenes Universum, von dessen Joch wir uns befreit zu haben glaubten, schickt seinen mächtigsten Krieger ins Feld. Wir wissen nun: Die Wirklichkeit ist nur das, was wir für die Wirklichkeit halten. Die Wahrheit jedoch ist: Es gibt keine Wirklichkeit. Nicht für uns, nicht für euch und nicht für das Sublime. Man kann Gott nicht neu erschaffen, keine universelle Wahrheit konstruieren.« Sie sah uns an. »Auf der anderen Seite dieser Wirklichkeit wartet ein Schiff auf euch, auf dieser Seite das Nichts.«
    »Es bleiben sieben Stunden, um die Vorbereitungen für einen letzten Transfer zu treffen«, erklärte das Sublime. »Sieben Stunden, um den Planeten in die Vergangenheit zurückzuführen und die kosmische Ordnung wiederherzustellen.« An Gamma und mich gerichtet, fuhr es fort: »Sieben Stunden, um in eure Zeit zurückzukehren – oder heute gemeinsam den BRAS-Raum zu verlassen und das Bewußtsein zu teilen, fortan die letzten eurer Spezies zu sein. An Bord des Flugzeugs befinden sich 314 Paare, genug, um ein Überleben der Menschheit auf einer neuen Welt zu gewährleisten. Eure Entscheidung muß jetzt fallen: für die Erde und eure Zivilisationen – oder für das Enoe-Schiff!«
    Rovennah kam näher und sah Gennard fast mitleidig an. »Sie haben dich zu einem der ihren gemacht«, erklärte sie, »zu einem Wesen aus Fleisch und Blut.« Dann blickte sie zu Gamma auf. »Sie besuchten unsere Welt vor mehr als einer Million Jahren, Enoe. Im Namen des Rates überlasse ich die Wahl des Modus operandi Ihrer Schöpfung.« Mit versteinerter Miene wandte sie sich um und ging auf die schweigenden Ratsmitglieder zu. Auf halbem Weg blieb sie stehen und sagte: »Das Advenion erwartet nun deine Entscheidung, Gennard.«
    Wir sahen einander an.
    »Den Transfer durchzuführen, würde bedeuten, daß jemand in der BRAS-Station zurückbleiben muß«, erklärte der Lunide.
    »Das ist wahr«, bestätigte das Sublime. Täuschte ich mich, oder hatte seine strahlende Korona an Intensität verloren?
    »Ein Bauernopfer …«
    »… für sieben Milliarden Leben.«
    »Um dem Dämon ins Angesicht zu blicken.« Gennard lachte auf. Ich las den Widerstreit der Gefühle in seinem Gesicht, ein Aufruhr aus Ohnmacht, Wut, Frustration und Hilflosigkeit. Er lief zum Rand der Plattform. Minutenlang blickte er hinunter auf die Ebene, ehe er stockend und mit tonloser Stimme erklärte: »Die Umweltbedingungen in den erforderlichen Sektionen der Station müßten wiederhergestellt werden; Licht, Temperatur, Atmosphäre.«
    »Es ist genügend Sauerstoff in mir gespeichert, um den gesamten BRAS-Raum damit zufallen.«
    »Ein Bruchteil davon ist ausreichend«, schränkte Gennard ein. Er atmete schwer, drehte sich halb zu uns um und fragte: »Wären Sie in der Lage, ihn aus dem Sublime in die primären Sektionen der Station zu leiten, Enoe?«
    »Indirekt ist es möglich; über das Schiff in die in Frage kommenden Bereiche. Wir haben eine Brücke ins Sublime geschaffen, durch die wir Stan in die Ebene transportierten und die Funkverbindung aufrecht

Weitere Kostenlose Bücher