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Lord Gamma

Lord Gamma

Titel: Lord Gamma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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Blick mit Gamma, der das Geschehen weiterhin mit eher wissenschaftlichem Interesse verfolgte. Er machte erneut diese wiegende Kopfbewegung. Ich erfuhr nie, was sie zu bedeuten hatte.
     
    Der Sektor, in den uns das Sublime nach Seethas ›Wiedereinbürgerung‹ führte, wies einen wesentlichen Unterschied gegenüber den vorherigen auf: Alle Stasis-Liegen in unserer unmittelbaren Umgebung waren leer. Gennard legte die Stirn in Falten und schürzte die Lippen. Ich hingegen sah mich beklommen um. Die Displays an den Liegen waren matt, die Paneele abgeschaltet. Ich ließ meinen Blick über die Reihen wandern, versuchte die Anzahl der Quader zu schätzen.
    »Es sind exakt 628«, bestätigte Gennard meine Befürchtung. »Flug 929.« Er trat an eine der Liegen, strich fast gedankenverloren darüber. »Hier hat man euch vier Jahre lang gehegt und gepflegt.« Langsam schritt er die Quader ab, wobei er seine Hand beim Vorbeigehen über jedes Polster gleiten ließ. »Melissa …«, murmelte er dabei, »Hank … Prill …« An der fünften Liege blieb er stehen, zeigte wieder dieses herablassende Lächeln. »Willkommen zu Hause, Stan.«
    Ich benötigte einige Augenblicke, um meine Gefühle unter Kontrolle zu kriegen. Dann sagte ich: »Nun, das bedeutet wohl, daß ich jetzt an der Reihe bin …«
    »Nein«, widersprach das Sublime. »Du und Prill, ihr tragt mich in euch. Dein Platz ist wie der ihre im Flugzeug.«
    Ich sah es an, versuchte in Prills Gesicht zu lesen. »Fortpflanzung«, erkannte ich. »Darum geht es dir, nicht wahr? Du willst dich mit uns – in uns in die Vergangenheit …«
    Abermals das Licht, das alles überstrahlte und meine Worte erstickte. Auferstehung, vernahm ich seine Stimme, ehe sich eine neue Umgebung manifestierte. Auferstehung, Stan, nicht Fortpflanzung. Der Kreis wird sich schließen, ob in der Vergangenheit oder in der Zukunft. Ihr seid die Samen. Die Zeit wird euch tragen.
     
    Zweiundzwanzig Personen erwarteten uns. Sie waren in dieselben weißen Anzüge gekleidet wie Gennard und hatten sich in einem weiten Halbkreis auf einer terrassenartigen Anlage versammelt. Drei von ihnen, zwei Männer und eine Frau, überragten selbst die Hochgewachsensten unter ihnen noch um mehr als Haupteslänge. Sie waren vollkommen haarlos und besaßen die gleiche aufgeblähte Statur und albinoartige Blässe wie Gennard, während die restlichen Personen – Afrikaner, Europäer und Asiaten – weitaus menschlicher wirkten. Ich kniff die Augen zusammen. Kein Zweifel, einer der beiden Riesen war Gennard! Abschätzend musterte er sein neben mir stehendes Pendant.
    Das gewaltige Bauwerk, auf dem wir standen, glich den Pyramidenstümpfen, auf denen die Morner ihre Arbeit verrichteten, war jedoch mehr als doppelt so hoch. Die quadratische Plattform, die seinen Gipfel krönte, besaß eine Seitenlänge von über fünfzig Metern. Auch hier waren Morner zugange, eine halbe Hundertschaft, wie es aussah. Die Kontrollpulte, die sie besetzten, umrahmten die gesamte Terrasse. Sechs Dragger schwebten bewegungslos und in geringer Höhe über uns. Wir befanden uns zweifellos im Kontrollzentrum der Superzelle.
    Die weißgekleideten Männer und Frauen sahen uns schweigend an, wie in feierlicher Andacht. Ihre vornehmliche Aufmerksamkeit galt dabei dem Sublime und Gamma. Nach minutenlanger gegenseitiger Musterung löste sich eine ältere, hochgewachsene Frau aus der Gruppe. Sie trat vor Prills strahlenden Körper hin und verbeugte sich. »Ave, Sublime«, grüßte auch sie. Als sie den Kopf hob, leuchteten ihre Augen in einem wohlbekannten bläulichen Glühen. Dann schritt sie langsam an uns vorüber, musterte Gennard mit einem Lächeln, sah mir ein wenig ratlos in die Augen und blieb schließlich vor Gamma stehen. Sie und der Enoe schienen sich mit Blicken förmlich zu sezieren. Schließlich wandte sie sich ab und blickte einige Zeit stumm hinüber zu den restlichen Personen. Ein geistiger Austausch schien stattzufinden, ehe die Frau ein paar Schritte Abstand von uns nahm, sich zu uns umwandte und sagte: »Das Advenion heißt Sie willkommen.« Sie kreuzte ihre Hände hinter ihrem Rücken. »Mein Name ist Rovennah Bartosh. Gennards Wissen ist nun auch unser Wissen. Ihr Erscheinen gibt uns die schmerzhafte Gewißheit, daß der Kollapsar nah ist.« Sie sah über die Plattform hinaus auf die Schläferebene. »Wir sind Paragone. Unsere Heimat ist der String-Raum. Er ist unsere Bestimmung. In dem Universum, aus dem wir ursprünglich stammen,

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