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Lord Gamma

Lord Gamma

Titel: Lord Gamma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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auseinander. Zwei Kreise sind darauf zu erkennen, ein kleiner und ein ihn umschließender großer. Zwischen den Kreisen stehen vier Pfeile, die in alle Himmelsrichtungen zeigen und scheinbar eine Drehrichtung andeuten. Bemerkenswert, denke ich. Hank hat das Rad erfunden!
    Unter der Zeichnung stehen knappe Sätze in schludriger Blockschrift.
    »Kreisrunder Fluß«, lese ich vor. »Fließt in sich selbst. Keine Quelle. Keine Mündung. Strom im Raum. Geschlossen …«
    Prill zieht mir das Blatt aus der Hand, überfliegt die restlichen Worte still für sich. »Du liebe Güte«, sagt sie. »Denkst du das Gleiche wie ich?«
    »Ja«, antwortet Hank, obwohl er nicht gemeint ist.
    Prill und ich tauschen einen Blick. Ich strecke meinen Arm zwischen den Sitzen hindurch, angle die restlichen Papierknäuels aus Hanks Fußraum. »Fast überall das Gleiche«, stelle ich fest, nachdem Prill und ich sie auseinandergefaltet haben.
    »Hör dir das mal an«, sagt sie. »Gefangener Tau -«
    »Gefangenes!« verbessert Hank sofort, ohne aufzusehen.
    »Es heißt aber der Tau«, belehre ich ihn.
    »Das Tau!« Mein Bruder schaut mich trotzig an. Nein, wütend. Ich glaube meinen Augen nicht zu trauen. Er ist wütend! »Das – Tau!« Hank klopft bei jedem Wort mit der Faust auf den Block. »Das – Tau!«
    »Okay, okay!« Ich lege meine Hand auf sein Knie. »Du hast ja recht. Tut mir leid.«
    Hank lächelt, senkt den Blick. »Ein gefangenes Tau«, murmelt er, reißt das gerade bekritzelte Blatt behutsam ab und reicht es mir. Darauf zu sehen ist wiederum ein kleiner Kreis, der von einem größeren umfaßt wird. Diesmal zeigen die vier Pfeile vom äußeren Kreis auf den inneren. In die Mitte des inneren Kreises hat Hank ein Τ gezeichnet.
    »Ein Tau?« frage ich. »Das Symbol für die Zeit?«
    Hank nickt.
    »Gefangene Zeit? Was meinst du damit?«
    »Ja.«
    »Ja? Was ja?«
    Hank zieht eine Grimasse, als habe er in etwas furchtbar Saures gebissen. Dabei sieht er zwischen Prill und mir hindurch und sagt: »Motorrad.«
    Ich hole tief Luft und schüttle den Kopf. Prill stößt mit ihrem Knie an meines und nickt, als ich sie fragend anschaue, die Straße hinab.
    Aus Richtung der Schnellstraße nähert sich eine Motorradstreife. Offensichtlich hat sie den gegen Fahrtrichtung geparkten Pontiac von der Interstate aus erspäht und vermutet nun eine gesetzwidrige Handlung zwischen fünf und sieben. Die obligatorischen zehn Meter Abstand einhaltend, stoppt der Uniformierte seine Maschine und kommt – eine Hand am Revolvergriff, die andere weit pendelnd – herangeschlendert.
    »Haben Sie ein Problem?« begrüßt er uns. Mit flinkem Blick kontrolliert er unsere Kleidung, als hoffe er, hastig in die Hose gesteckte Shirts, offene Hosenläden und im Fußraum versteckte Unterhosen zu entdecken.
    »Nein, Officer«, antworte ich.
    »Sie stehen auf der falschen Straßenseite. Hatten Sie einen Unfall?« Er schaut sich um, hält nach Brems- oder Schleuderspuren Ausschau.
    »Nur ein Fuchs«, murmele ich. Der Uniformierte fixiert mich eine Sekunde, dann wieder die Straße, sucht nun scheinbar einen Kadaver, Blutspuren, Innereien, irgendwelche Überreste. »Habe beim Bremsen den Wagen ins Schleudern gebracht und abgewürgt«, ergänze ich.
    Der Uniformierte geht um die Kühlerschnauze herum und legt dabei wie beiläufig eine Hand (ohne Handschuh, verdammt!) auf die Motorhaube. »Wie lange ist das her?« fragt er, als er auf meiner Seite angekommen ist.
    »Halbe Stunde.«
    »Hm. Wohl ganz schön erschrocken, was?« Er tut so, als begutachte er den Innenraum. Seine Augen hinter der Sonnenbrille hängen allerdings an Prill. Als er sich sattgesehen hat, betrachtet er Hank, der unermüdlich Kreise malt.
    »Okay«, meint er schließlich, »ich belasse es ausnahmsweise bei einer Verwarnung. Zehn Dollar.« Er füllt einen Strafzettel aus, faltet ihn in der Mitte zusammen und reicht ihn mir.
    »Gönnen Sie sich davon ein gutes Frühstück«, rate ich ihm, als er meinen Geldschein einsteckt.
    »Wenn ich zurückkomme und Sie immer noch hier stehen sehe, bekommen Sie Ärger, verstanden?«
    »Natürlich, Officer. Wir sind schon so gut wie weg.«
    »Das hoffe ich. Lady …« Er nickt Prill zu, geht steif zurück zu seinem Motorrad, als hätte er einen Ständer, und schwingt sich wieder in den Sattel.
    »Idiot«, murmele ich, als ich ihn im Rückspiegel davonfahren sehe. »Wahrscheinlich fährt er jetzt ins nächste Motel und holt sich einen runter.« Ich werfe den Strafzettel in die

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