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Lord Gamma

Lord Gamma

Titel: Lord Gamma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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diesem Augenblick kaum. Ich starre die Papierschwalbe an, drehe sie um, betrachte ihre Unterseite. Es würde mich nicht wundern, den Satz ›Guten Morgen, du Blödmann!‹ zu lesen. Doch sie ist unbeschriftet.
    Mit dem Papierflieger in der Hand laufe ich wie ein Traumwandler den Korridor hinab, beginne zu begreifen, wo ich mich befinde. Die Erkenntnis verursacht mir Gänsehaut. Die Fensterreihen, die Trennwände … dieser tunnelförmige Korridor ist eine Passagierkabine! Bald werden Hunderte von Sitzen aus dem Boden wachsen. Und es sind keine Brücken, die draußen in die Dunkelheit führen, sondern Tragflächen!
     
    »Arr!« sagt jemand hinter mir.
    Ich wirble erschrocken herum, starre auf einen kleinwüchsigen, glatzköpfigen Mann, der in der Mitte des Raums steht. Er trägt einen dunkelgrauen, schlaff herabhängenden Zweireiher, der ihm eine traurige Gestalt verleiht. Die Körperhaltung des Fremden ist entspannt, seine Erscheinung reglos wie ein Standbild. Er steht einfach da und sieht gleichgültig aus, seine Augen blicken müde. Ich mustere ihn verdutzt. Er befindet sich wirklich im Raum, ist kein Hirngespinst. Ich rieche den kalten Zigarrenmief, der seinem Anzug entströmt.
    Verkörpert diese Jammergestalt einen jener geheimnisvollen Unbekannten, die mich hier gefangenhalten? Der Kerl wirkt wie ein erfolgloser Klinkenputzer. Seine rechte Hand steckt lässig in der Hosentasche, die linke hält einen billigen, schwarzen Aktenkoffer aus Kunststoff. »Arr!« sagt er erneut und hebt den Koffer an, als wolle er ihn mir überreichen.
    »Wer – sind Sie?« frage ich verwundert, als ich meine Stimme wiedergefunden habe. »Woher kommen Sie?«
    »Arr!« lautet die Antwort. Es klingt wie der Ruf einer Krähe. Der Fremde stellt den Koffer ab und weist mit der ausgestreckten Hand darauf. Dann zieht er die andere Hand aus der Hosentasche, mit ihr eine schwarze Sonnenbrille. Er setzt die Brille auf, verschränkt seine Arme vor der Brust und steht abwartend vor mir wie ein Body-Guard für Wichtelmännchen. Wie es aussieht, ist der Koffer tatsächlich für mich bestimmt.
    Ich nähere mich vorsichtig. Der Fremde bleibt ungerührt stehen, als ich nach dem Koffer greife. Der Behälter ist nicht besonders schwer. Enthält er vielleicht Lebensmittel? Ich hebe ihn mit beiden Händen an und schüttle ihn, höre etwas Massives darin rumpeln. Die Augenbrauen des Fremden hüpfen über die Ränder der Sonnenbrille. »Aaaar!« ruft er, reißt mir den Koffer aus den Händen und stellt ihn vorsichtig wieder auf den Boden zurück. Offenbar ist sein Inhalt zerbrechlich.
    »Möchten Sie, daß ich den Koffer öffne?« frage ich.
    »Arr.«
    Der Fremde beobachtet mich abwartend. Ich zögere, bin mir nicht sicher, ob er überhaupt meine Sprache versteht.
    »Können Sie schreiben?«
    »Aar?«
    Ich vollführe eine Pantomime, als notiere ich etwas auf ein Blatt Papier. Der Glatzkopf nickt verständig, nimmt die Brille ab, verstaut sie in der Innentasche seines Sakkos und zieht einen Federhalter und einen Notizblock hervor. Er hebt sein linkes Bein, stellt den Fuß auf den Koffer, legt den Block auf sein Knie und notiert flüssig und gewandt einige Worte. Dann reißt er das Blatt vom Block und reicht es mir.
    Auf dem Zettel steht:
     

     
    Als ich aufblicke, ist der Fremde verschwunden. Ungläubig schaue ich mich um, laufe durch alle Räume. Er ist wie vom Erdboden verschluckt. Lediglich der Geruch kalten Zigarrenrauches zeugt noch von seiner Anwesenheit. Ich setzte mich neben dem Koffer auf den Boden, starre den Zettel an. Dann lege ich den Koffer neben mich, lasse die Verschlüsse aufschnappen, öffne ihn vorsichtig. Er enthält ein Notebook und ein schweres, unbeschriftetes Kuvert. Keine Getränke, kein Essen. Ich atme tief durch. Was soll ich mit einem Notebook?
    In dem Kuvert finde ich eine kleine, silberne, unbeschriftete Diskette und etwas, das einem Handbuch ähnelt. Ratlos blättere ich das Buch durch, kann aber nicht herauslesen, was für eine Software es erklärt. Nach diversen Seiten in unentzifferbaren Schriften, die abstraktem Hebräisch, Phönizisch, Japanisch oder Sanskrit ähneln, stoße ich auf eine eingeklebte Notiz in lesbarer Sprache; ein einziger Satz, offenbar ein Eingabebefehl. Ich klappe das Notebook auf, schalte es an. Es funktioniert. Nachdem ich die Diskette eingelegt habe, höre ich den Rechner auf sie zugreifen. Das Display wird schwarz, im Zentrum blinkt ein Cursor.
    Verwundert über die absurde Instruktion tippe ich

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