Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes
kümmern. Damit wirst du doch sicher allein fertig.«
»Das schon«, kam es zänkisch zurück. »Ich wollte dir nur auch ein bißchen von dem Spaß gönnen. Ein undankbarer Kerl bist du. Der Fall interessiert dich nicht im mindesten.«
»Na weißt du – ich glaube eben nicht daran. Ja, schon gut. Ja, schon gut – gebrauch nicht gleich solche Ausdrücke, du erschreckst noch das Telefonfräulein. Mal sehen, was ich machen kann. Um elf? – Gut! –He, hör mal!«
»Klick!« machte das Telefon.
»Aufgelegt«, sagte Parker verdrießlich. »Bertha Gotobed. Hm! Ich hätte schwören mögen –«
Er griff nach dem Daily Yell, der auf dem Frühstückstisch gegen den Marmeladentopf lehnte, und las mit gespitzten Lippen die Meldung, deren fettgedruckte Überschrift ihm vor der Störung ins Auge gefallen war.
SERVIERERIN TOT IM
EPPINGFORST GEFUNDEN
FÜNFPFUNDNOTE IN DER HANDTASCHE
Er nahm wieder den Hörer ab und verlangte Wimseys Nummer. Der Diener war am Apparat.
»Seine Lordschaft sind im Bad, Sir. Soll ich durchstellen?«
Wieder klickte das Telefon. Bald darauf meldete sich schwach Lord Peters Stimme. »Hallo!«
»Hat die Wirtin etwas davon gesagt, wo Bertha Gotobed beschäftigt war?«
»Ja – im Corner House als Kellnerin. Woher dieses plötzliche Interesse? Du verschmähest mich im Bette, doch im Bad umwirbst du mich. Klingt wie ein Chanson von der weniger feinen Art. Warum, o sag, warum?«
»Hast du noch keine Zeitung gelesen?«
»Nein. Solche Torheiten hebe ich mir bis zum Frühstück auf. Was gibt’s? Werden wir nach Shanghai beordert, oder hat man die Einkommensteuer um einen halben Shilling gesenkt?«
»Mensch, halt doch mal die Klappe, es ist ernst. Du kommst zu spät.«
»Wofür?«
»Bertha Gotobed ist heute früh tot im Wald bei Epping gefunden worden.«
»Großer Gott! Tot? Wieso denn? Wovon?«
»Keine Ahnung. Gift oder so. Oder Herzversagen. Keine Gewaltanwendung. Kein Raub. Keine Anhaltspunkte. Ich muß deswegen gleich zum Yard.«
»Gott vergebe mir, Charles. Weißt du, irgendwie hatte ich ja ein ungutes Gefühl, als du so sagtest, das Inserat könne wohl nichts schaden! Tot! Das arme Ding! Charles, ich komme mir selbst vor wie der Mörder. O verdammt! – und ich bin ganz naß, da fühlt man sich so hilflos. Paß auf, du rast los zum Yard und erzählst denen schon einmal alles, was du weißt, und ich komme im Nu nach. Jetzt gibt’s ja wohl jedenfalls keinen Zweifel mehr.«
»Na, nun mal langsam! Es könnte etwas völlig anderes sein und gar nichts mit deinem Inserat zu tun haben.«
»Es könnte auch im Sommer schneien. Gebrauch doch mal deinen gesunden Menschenverstand. Ach ja, Charles! Ist eigentlich von der Schwester die Rede?«
»Ja. Bei der Leiche war ein Brief von ihr; dadurch wurde sie identifiziert. Sie hat vorigen Monat nach Kanada geheiratet.«
»Das hat ihr das Leben gerettet. Wenn sie herkommt, ist sie in scheußlicher Gefahr. Wir müssen sie erwischen und warnen. Und uns anhören, was sie weiß. Bis nachher. Ich muß mir jetzt was anziehen. O verdammt!«
Klick, war die Leitung wieder tot, und Parker ließ ohne Bedauern sein Frühstück Frühstück sein und rannte wie im Fieber aus dem Haus, die Lamb’s Conduit Street hinunter, und fuhr unterirdisch mit der Trambahn nach Westminster.
Der Chef von Scotland Yard, Sir Andrew Mackenzie, war ein sehr alter Freund von Lord Peter. Er empfing den aufgeregten jungen Mann freundlich und hörte sich aufmerksam die etwas verworrene Geschichte von Krebs, Testamenten, geheimnisvollen Anwälten und Inseraten im Kleinanzeigenteil an.
»Ein merkwürdiger Zufall«, sagte er geduldig, »und ich kann verstehen, daß Sie sich darüber aufregen. Aber Sie können sich wieder beruhigen. Ich habe den Bericht des Polizeiarztes, der voll und ganz von einem natürlichen Tod überzeugt ist. Nichts deutet auf einen Überfall hin. Natürlich wird noch eine gründliche Untersuchung stattfinden, aber ich glaube nicht, daß der geringste Anlaß besteht, ein krummes Ding zu vermuten.«
»Aber was hatte sie im Eppingforst zu suchen?«
Sir Andrew hob gelassen die Schultern.
»Der Frage muß natürlich nachgegangen werden. Aber – junge Leute ziehen nun mal ein bißchen herum. Es existiert auch irgendwo ein Verlobter. Ein Eisenbahner oder so. Collins ist schon hingefahren, um sich mit ihm zu unterhalten. Vielleicht ist sie aber auch mit jemand anderem dagewesen.«
»Aber wenn es ein natürlicher Tod war – niemand würde doch ein krankes oder
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