Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes
Whittaker das sagte, ließ erkennen, daß diese erste Begegnung von ihr aus auch die letzte sein durfte.
»Ach du liebe Zeit!« rief die jüngste Miss Findlater, die mit ihren kurzen Blondhaaren irgendwie füllenhaft wirkte, »da bin ich ja wohl ins Fettnäpfchen getreten. Dabei hat Mrs. Peasgood doch bestimmt so getan, als wenn alles schon geregelt wäre.« Sie wandte sich wieder an Miss Climpson.
»Aber das ist ein Irrtum «, sagte sie energisch. »Was müssen Sie nur von mir denken, Miss Whittaker? Natürlich kann ich so etwas unmöglich gesagt haben. Ich habe nur zufällig – und ganz nebenher – erwähnt, daß ich nach einem Haus – das heißt, daß ich mit dem Gedanken spiele, nach einem Haus in der Nähe der Kirche zu suchen – das ist so praktisch, wissen Sie, für die Frühmesse und an Feiertagen –, und da hat jemand gemeint – aber ich weiß wirklich nicht, wer –, daß Sie vielleicht, aber nur vielleicht mit dem Gedanken spielen könnten, irgendwann Ihr Haus zu vermieten. Ich versichere Ihnen, das war alles .« Mit dieser Behauptung war Miss Climpson weder korrekt noch unaufrichtig, aber sie entschuldigte sich vor ihrem Gewissen mit dem jesuitischen Argument, daß sie es lieber auf keinen Streit ankommen lassen sollte, wo soviel auf dem Spiel stand. »Miss Murgatroyd«, fügte sie hinzu, »hat mich auch gleich berichtigt und gesagt, Sie dächten an so etwas bestimmt nicht, sonst hätten Sie es ihr zuallererst gesagt.«
Miss Whittaker lachte.
»Irrtum«, sagte sie, »ich hätte zuerst mit meinem Makler gesprochen. Es ist schon richtig, daß ich daran gedacht habe, aber unternommen habe ich ganz bestimmt noch nichts.«
»Du hast es also wirklich vor?« rief Miss Findlater. »Ich hoffe es ja so – denn wenn du’s machst, bewerbe ich mich gleich um eine Stelle auf der Farm! Ich sehne mich ja so danach, wegzukommen von diesen langweiligen Tennispartys und einmal so richtig erdverbunden und natürlich zu leben. Lesen Sie Sheila Kaye-Smith?«
Miss Climpson verneinte, aber sie sei sehr angetan von Thomas Hardy.
»Es ist wirklich schrecklich, in so einer Kleinstadt zu leben wie hier«, fuhr Miss Findlater fort. »Die Aspidistras überall, und der ewige Tratsch. Sie haben ja keine Ahnung, Miss Climpson, wie hier in Leahampton geklatscht wird. Du mußt ja davon mehr als die Nase voll haben, nicht wahr, Mary, mit diesem lästigen Dr. Carr und dem Gerede der Leute. Mich wundert es nicht, wenn du daran denkst, dieses Haus loszuwerden. Ich kann mir gar nicht vorstellen, daß du dich je wieder darin wohlfühlen könntest.«
»Aber warum denn nicht?« fragte Miss Whittaker unbekümmert. Zu unbekümmert? Miss Climpson glaubte erschrocken in Blick und Stimme die seltsam rasche Abwehrbereitschaft der sitzengebliebenen Jungfer zu erkennen, die laut versichert, daß sie mit Männern nichts anfangen kann.
»Nun«, meinte Miss Findlater, »ich denke immer, es ist ein bißchen traurig, in einem Haus zu wohnen, wo jemand gestorben ist. Die gute Miss Dawson – obwohl es ja eigentlich ein Segen war, daß sie erlöst wurde – aber trotzdem …«
Sie versucht offensichtlich, von dem Thema wegzukommen, dachte Miss Climpson. Sie hat die ganzen Verdächtigungen im Zusammenhang mit diesem Tod gemeint, scheut sich aber, sie zur Sprache zu bringen.
»Es dürfte nur wenige Häuser geben, in denen nicht irgendwann schon ein Mensch gestorben ist«, sagte Miss Whittaker. »Ich verstehe wirklich nicht, was die Leute daran so stört. Wahrscheinlich wollen sie es nur einfach nicht wahrhaben. Bei Leuten, die man nicht kennt, rührt es uns ja überhaupt nicht. Ebenso regen wir uns ja auch nicht über Katastrophen und Epidemien auf, die sich weit weg ereignen. Glauben Sie übrigens wirklich, Miss Climpson, daß sich da mit China etwas tut? Alle Welt scheint es auf die leichte Schulter zu nehmen. Wenn sich dieser ganze bolschewistische Aufruhr aber bei uns im Hyde Park abspielte, würde sehr viel mehr Theater darum gemacht werden.«
Miss Climpson gab eine angemessene Antwort, und am Abend schrieb sie an Lord Peter:
»Miss Whittaker hat mich zum Tee gebeten. Sie sagt, so sehr sie sich ein aktives Landleben mit einer sinnvollen Betätigung wünschen würde, habe sie das Haus in der Wellington Avenue doch so in ihr Herz geschlossen, daß sie sich nicht davon losreißen könne. Sie scheint großen Wert darauf zu legen, diesen Eindruck zu erwecken. Ob es mir wohl ansteht, zu sagen: ›Die Dame, wie mich dünkt, gelobt zuviel‹?
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