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Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes

Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes

Titel: Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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sich ein wenig nach der Familie.
    »Also, Sir, ich kann nicht behaupten, daß ich viel darüber wüßte. Wir waren immer der Meinung, Miss Whittaker hätte sich dadurch mit ihren Leuten angelegt, daß sie hierhergekommen ist und sich selbständig gemacht hat. Es war ja damals nicht so gang und gäbe wie heute, daß junge Mädchen aus dem Haus gingen. Aber wenn Sie sich sehr dafür interessieren, Sir, hier wohnt ein alter Herr, das ist Ben Cobling, der kann Ihnen alles über die Whittakers und die Dawsons dazu erzählen. Vierzig Jahre lang war er Stallknecht bei Miss Whittaker, und Miss Dawsons Mädchen hat er geheiratet, das mit ihr aus Norfolk gekommen war. An seinem letzten Geburtstag ist er sechsundachtzig geworden, aber ein rüstiger alter Knabe ist er noch. Wir denken in dieser Gegend viel an Ben Cobling. Er wohnt mit seiner Frau in dem kleinen Häuschen, das Miss Whittaker ihnen vermacht hat, als sie starb. Wenn Sie morgen mal hingehen und ihn besuchen möchten, Sir, Bens Gedächtnis ist so gut wie eh und je. Entschuldigen Sie, Sir, aber jetzt ist Feierabend. Ich muß die Gäste aus der Bar schicken. Feierabend, meine Herrschaften, bitte sehr! Drei Shilling sechs, Sir, danke, Sir. Beeilung bitte, meine Herren. So, Joe, jetzt aber dalli.«
    »Herrlicher Ort, dieses Crofton«, sagte Lord Peter, als sie allein in ihrem großen, niedrigen Zimmer waren, wo die Bettwäsche nach Lavendel roch. »Ben Cobling weiß sicher alles über Vetter Hallelujah. Ich freue mich auf Ben Cobling.«

12
Die Geschichte von den beiden Jungfern
    Die Sicherheit, unser Eigentum in unsern Familien zu verewigen, ist einer der schätzbarsten und anziehendsten Umstände beim Besitz desselben.
    BURKE: BETRACHTUNGEN ÜBER DIE FRANZÖSISCHE REVOLUTION
    Der regnerischen Nacht folgte ein sonniger Morgen. Nachdem Lord Peter sich genußvoll eine ungeheure Portion Speck und Ei einverleibt hatte, trat er vor die Tür des Fox-and-Hounds, um sich aufzuwärmen. Langsam stopfte er sich seine Pfeife und meditierte. Fröhliche Betriebsamkeit in der Bar verkündete die nahe Öffnungszeit. Acht Enten überquerten in Reih und Glied die Straße. Eine Katze sprang auf die Bank, reckte sich, kramte dann die Hinterbeine unter sich und wickelte den Schwanz fest darum, als wollte sie verhindern, daß sie sich ungewollt befreiten. Ein Stallknecht ritt auf einem großen Schecken vorbei, am Zügel einen Braunen mit gestutzter Mähne; ihnen folgte in komischem Galopp ein Spaniel, ein Ohr über den ulkigen Kopf geklappt. »Ha!« rief Lord Peter.
    Die Wirtshaustür wurde gastfreundlich vom Barkellner geöffnet, der »Guten Morgen, Sir, ein schöner Morgen, Sir«, sagte und wieder nach drinnen verschwand.
    »Hm«, machte Lord Peter. Er hob den über den linken gekreuzten rechten Fuß und stellte sich breitbeinig über die Türschwelle.
    Um die Ecke bei der Friedhofsmauer tauchte eine kleine, gebeugte Gestalt auf – ein alter Mann mit runzligem Gesicht und unglaublich krummen Beinen, deren dünne Unterschenkel in ledernen Gamaschen steckten. Er watschelte hurtig näher und entblößte höflich das betagte Haupt, bevor er sich mit hörbarem Ächzen neben der Katze auf die Bank sinken ließ.
    »Guten Morgen, Sir«, sagte er.
    »Guten Morgen«, sagte Lord Peter. »Ein schöner Tag.« »Ganz recht, Sir, ganz recht«, sagte der Alte aus tiefstem
    Herzen. »Wenn ich so einen schönen Maitag sehe wie heute, bete ich zum Herrn, daß er mich verschont und noch ein paar Jährchen in seiner schönen Welt leben läßt. Bestimmt.«
    »Sie wirken noch ungemein rüstig«, sagte Seine Lordschaft. »Ich würde meinen, Sie haben alle Aussichten.«
    »Ja, ich bin noch sehr kräftig, Sir, danke, Sir. Und dabei werde ich nächsten Michaeli schon siebenundachtzig.«
    Lord Peter brachte ein gebührendes Erstaunen zum Ausdruck.
    »Jawohl, Sir, siebenundachtzig, und wenn das Rheuma nicht wäre, hätte ich nichts zu klagen. Ich bin noch kräftiger, als ich vielleicht aussehe. Ich weiß ja, daß ich ein bißchen krumm bin, Sir, aber das kommt mehr von den Pferden, Sir, als vom Alter. Bin mein Lebtag so richtig mit Pferden großgeworden. Hab mit ihnen gearbeitet, bei ihnen geschlafen – sozusagen richtig im Stall gewohnt, Sir.«
    »Bessere Gesellschaft hätten Sie sich nicht wünschen können«, sagte Lord Peter.
    »Richtig, Sir, hätte ich nicht. Meine Frau hat schon immer gesagt, daß sie eifersüchtig ist auf die Pferde. Würd mich lieber mit ihnen unterhalten als mit ihr, hat sie gemeint. Hat

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