Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes
Frühstück sein – der frißt die Magenwände an.«
Mrs. Cobling entpuppte sich als eine reizende alte Dame, runzlig wie eine Dörrpflaume und nur zwei Jahre jünger als ihr Gatte. Sie war ganz außer sich vor Freude, daß sie Gelegenheit haben sollte, über ihre heißgeliebte Miss Agatha zu sprechen. Parker, der es für nötig hielt, einen Grund für diese Neugier vorzuschieben, wollte mit einer komplizierten Erklärung anfangen und handelte sich wieder einen Tritt ein. Für Mrs. Cobling konnte es überhaupt nichts Natürlicheres geben, als daß alle Welt sich für die Dawsons interessierte, und so ließ sie sich nicht zweimal bitten und plapperte munter drauflos.
Sie war schon als junges Mädchen bei den Dawsons in Diensten gewesen – sozusagen hineingeboren. Denn war nicht ihre Mutter schon Haushälterin bei Mr. Henry Dawson, Miss Agathas Herrn Papa, gewesen und davor bei dessen Vater? Sie selbst war als kaum Fünfzehnjährige als Kaltmamsell in das große Haus gekommen. Das war, als Miss Harriet gerade drei Jahre alt war – Miss Harriet, die später Mr. James Whittaker heiratete. O ja, und sie war auch dort, als die übrige Familie geboren wurde. Mr. Stephen – der hätte der Erbe sein sollen – ach je! Und dann setzten die Schwierigkeiten ein, und die brachten seinen armen Vater um, und nichts blieb vom Erbe. Ja, ja, eine traurige Geschichte! Der arme Mr. Henry hatte mit irgend etwas spekuliert – womit, das wußte Mrs. Cobling nicht so genau, aber es war alles sehr böse und passierte in London, wo ja so viele schlechte Menschen leben – das Ende vom Lied war jedenfalls, daß er alles verlor, der arme Herr, und er hat’s nie verwunden. Erst fünfundvierzig war er, als er starb; so ein feiner, aufrechter Herr, der immer ein freundliches Wort für jeden hatte. Und seine Frau hat ihn auch nicht lange überlebt, das arme Lämmchen. Französin war sie, und eine bezaubernde Dame, aber sie war sehr einsam in England, so ohne ihre Familie, und wo doch ihre zwei Schwestern in so einem schrecklichen katholischen Kloster lebendig eingemauert waren!
»Und was hat Mr. Stephen getan, als das Geld alle war?« fragte Wimsey.
»Der? Ach ja, der hat ein Geschäft aufgemacht – komisch war einem das ja schon, aber von irgendwo hatte ich gehört, daß auch schon der alte Barnabas Dawson, Mr. Henrys Vater, nichts weiter als ein Lebensmittelkaufmann gewesen war – und es heißt ja, es dauert von Hemdsärmel zu Hemdsärmel drei Generationen, nicht wahr? Trotzdem war es sehr hart für Mr. Stephen, wo er doch so aufgewachsen war, daß er immer das Beste von allem hatte. Und verlobt war er auch, mit einer sehr schönen Dame, einer reichen Erbin dazu. Aber es war doch alles zu seinem Besten, denn als sie erfuhr, daß Mr. Stephen jetzt schließlich ein armer Mann war, hat sie ihn fallengelassen, und das zeigt doch schließlich, daß sie überhaupt kein Herz im Leib hatte. Mr. Stephen hat dann erst geheiratet, als er schon über Vierzig war, und zwar eine Dame mit überhaupt keiner Familie – keiner rechtmäßigen, heißt das, und dabei war sie so ein liebes, nettes Mädchen und ist Mr. Stephen eine wundervolle Frau gewesen – jawohl, das war sie. Und Mr. John, das war ihr einziger Sohn. Alle Hoffnungen haben sie in ihn gesetzt. Was für ein schrecklicher Tag, als dann die Nachricht kam, daß er im Weltkrieg gefallen war. Eine grausame Geschichte war das, nicht wahr, Sir? – und keiner hat was davon gehabt, soweit ich das sehen kann, immer nur diese schrecklich hohen Steuern und alles so teuer, und so viele Leute ohne Arbeit.«
»Er ist also gefallen? Das muß ja ein furchtbarer Schlag für die Eltern gewesen sein.«
»O ja, Sir, furchtbar. Oh, es war überhaupt alles so schrecklich, Sir, denn der arme Mr. Stephen, der doch schon sein ganzes Leben lang so viel Kummer gehabt hatte, hat darüber den Verstand verloren und sich erschossen. Bei Verstand kann er nämlich nicht gewesen sein, als er das tat, Sir – und was noch schrecklicher war, er hat ja auch seine liebe Frau totgeschossen. Sie erinnern sich vielleicht daran, Sir, denn es hat in der Zeitung gestanden.«
»Ich glaube, ich erinnere mich dunkel«, sagte Lord Peter, was zwar nicht stimmte, aber er wollte nicht den Eindruck erwekken, er nehme diese dörfliche Tragödie nicht ernst.
»Und der junge John – er war nicht verheiratet, oder?«
»Nein, Sir. Das war ja auch so traurig. Verlobt war er mit einer jungen Dame – einer Krankenschwester in einem der
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