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Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes

Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes

Titel: Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dorothy L. Sayers
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verstanden habe, meinen Sie, daß jede Zweideutigkeit im neuen Erbrecht für eine interessierte Partei ein ausreichendes Motiv gewesen sein könnte, den Tod der Agatha Dawson zu beschleunigen?«
    »Genau das meine ich. Wenn natürlich die Großnichte sowieso erbt, hätte die alte Dame ebensogut unter dem neuen wie unter dem alten Erbrecht sterben können. Aber wenn es daran irgendwelche Zweifel gab – wie verlockend, ihr beim Sterben ein wenig nachzuhelfen, damit sie noch 1925 das Zeitliche segnete, nicht wahr? Besonders, wo sie ohnehin nicht mehr lange zu leben hatte und keine anderen Verwandten dadurch übervorteilt wurden.«
    »Da fällt mir etwas ein«, meldete sich Parker. »Angenommen, die Großnichte hat keine Erbansprüche, wohin geht dann das Geld?«
    »Dann fällt es an das Herzogtum Lancaster – oder anders ausgedrückt an die Krone.«
    »Also an niemand Bestimmten«, sagte Wimsey. »Wirklich und wahrhaftig, ich kann es beim besten Willen nicht als ein großes Verbrechen ansehen, eine arme alte Frau, die schrecklich zu leiden hat, ein bißchen vor der Zeit sterben zu lassen, um an das Geld zu kommen, das sie einem sowieso vermachen wollte. Teufel auch, warum soll es das Herzogtum Lancaster bekommen? Wen kümmert das Herzogtum Lancaster? Das ist doch dann nichts Schlimmeres als Steuerbetrug.«
    »Ethisch gesehen«, bemerkte Mr. Murbles, »könnte tatsächlich einiges für Ihren Standpunkt sprechen. Juristisch gesehen muß ich leider sagen, Mord ist Mord, wie gebrechlich auch immer das Opfer und wie vorteilhaft das Ergebnis auch sein mag.«
    »Und Agatha Dawson wollte noch nicht sterben«, fügte Parker hinzu. »Das hat sie immer gesagt.«
    »Stimmt«, sagte Wimsey nachdenklich. »Und ich glaube, sie hatte da wohl ein Wörtchen mitzureden.«
    »Ich finde«, sagte Mr. Murbles, »wir sollten, bevor wir diese Fragen weiter vertiefen, die Meinung eines Spezialisten auf diesem Rechtsgebiet hören. Vielleicht ist Towkington zu Hause. Ich wüßte keine größere Kapazität als ihn zu nennen. Und wenn ich diese neumodische Erfindung namens Telefon auch noch so sehr verabscheue, in diesem Falle würde ich es für ratsam halten, ihn anzurufen.«
    Wie sich zeigte, war Mr. Towkington zu Hause und hatte Zeit für sie. Man setzte ihm den Fall mit der Großnichte am Telefon auseinander. Mr. Towkington fühlte sich ohne seine Nachschlagwerke ein wenig überfordert, aber wenn er aus dem Stegreif antworten sollte, würde er es schon für sehr wahrscheinlich halten, daß Großnichten nach dem neuen Erbrecht von der Erbfolge ausgeschlossen seien. Aber es sei eine sehr interessante Frage, und er bekäme gern Gelegenheit, seine Ansichten zu erhärten. Ob Mr. Murbles nicht herüberkommen und den Fall mit ihm diskutieren möchte? Mr. Murbles erklärte ihm, er sitze gerade mit zwei Freunden beim Abendessen, die sich für die Frage interessieren. Ob dann die beiden Freunde nicht gleich mit zu Mr. Towkington kommen wollten?
    »Towkington hat einen ganz ausgezeichneten Portwein«, flüsterte Mr. Murbles zur Seite, die Hand vorsichtig auf der Sprechmuschel.
    »Dann sollten wir hingehen und ihn probieren«, meinte Wimsey gutgelaunt.
    »Wir brauchen nur bis nach Gray’s Inn«, fuhr Mr. Murbles fort.
    »Um so besser«, sagte Lord Peter.
    Bei ihrer Ankunft vor Mr. Towkingtons Gemächern fanden sie die Außentür gastlich unverschlossen, und sie hatten kaum angeklopft, da riß Mr. Towkington schon persönlich die Wohnungstür auf und begrüßte sie mit lauter, herzlicher Stimme. Er war ein großer, vierschrötiger Mann mit blühendem Gesicht und rauher Kehle. Vor Gericht war er berühmt für sein »Na bitte«, das er stets voranstellte, bevor er einen hartnäckigen Zeugen in ganz kleine Knoten knüpfte, um sie dann mit brillanten Argumenten einzeln durchzuhauen. Er kannte Wimsey vom Sehen und äußerte sich entzückt, Inspektor Parker kennenzulernen; dann scheuchte er seine Gäste leutselig polternd ins Wohnzimmer.
    »Ich habe mich mit dieser kleinen Frage etwas näher befaßt, während Sie unterwegs waren«, sagte er. »Schwierig, schwierig, wie? Ha! Ganz erstaunlich, daß die Leute beim Formulieren von Gesetzen nicht sagen können, was sie meinen, was? Ha! Was meinen Sie, Lord Peter, warum das so ist, he? Na bitte!«
    »Ich nehme an, weil Gesetze von Juristen formuliert werden«, meinte Wimsey grinsend.
    »Um sich selbst Arbeit zu verschaffen, wie? Ich sage, recht haben Sie. Auch Rechtsanwälte müssen leben, was? Ha! Sehr gut. Also,

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