Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes
Testament–«
»Darauf komme ich gleich«, sagte Mr. Towkington.
»– bedeutete ›Nachkommenschaft‹ weiterhin ›leibliche Nachfahren‹, und so blieb es bis 1926.«
»Halt!« rief Mr. Towkington. »Nachkommenschaft des Kindes oder der Kinder des Verstorbenen bedeutete gewiß ›Nachkommenschaft ad infinitum ‹ – aber – Nachkommenschaft anderer Personen als der Kinder des Verstorbenen schloß nur die Kinder dieser Personen ein, nicht aber weitere Nachkommen. Das blieb allerdings so bis 1926. Und da das neue Gesetz nichts Gegenteiliges feststellt, müssen wir annehmen, daß diese Bedeutung weiter gültig ist. Ha! Na bitte! Im vorliegenden Falle stellen wir also fest, daß die Erbanwärterin nicht das Kind der Verstorbenen und auch nicht das Kind der Schwester der Verstorbenen ist. Sie ist nur die Enkelin der verstorbenen Schwester der Verstorbenen. Folglich bin ich der Meinung, daß sie nach dem neuen Gesetz das Erbe nicht hätte antreten können, wie? Ha!«
»Ich verstehe, was Sie meinen«, sagte Mr. Murbles.
»Darüber hinaus«, fuhr Mr. Towkington fort, »bedeutet ›Nachkommenschaft‹ in einem Testament seit 1926 nicht mehr ›Nachkommenschaft ad infinitum ‹. Das ist zumindest klar zum Ausdruck gebracht, und in diesem Punkte wurde das Testamentsgesetz von 1837 revidiert. Das hat zwar für unsere Frage keine Bedeutung. Aber es könnte ein Hinweis darauf sein, wie sich das Gesetz heute interpretieren ließe, und möglicherweise könnte es das Gericht bei der Entscheidung darüber beeinflussen, wie das Wort ›Nachkommenschaft‹ im Sinne des neuen Gesetzes anzuwenden ist.«
»Nun ja«, sagte Mr. Murbles, »ich beuge mich Ihrem überlegenen Wissen.«
»Auf jeden Fall«, mischte Parker sich ein, »würde jede Ungewißheit in dieser Frage ein ebenso gutes Mordmotiv abgeben wie die sichere Gewißheit, von der Erbfolge ausgeschlossen zu sein. Wenn Mary Whittaker auch nur glaubte , sie könne das Geld verlieren, falls ihre Tante bis ins Jahr 1926 hinein überlebte, könnte das für sie eine unwiderstehliche Versuchung gewesen sein, sie ein wenig früher aus dem Weg zu räumen, um auf Nummer Sicher zu gehen.«
»Das ist allerdings richtig«, sagte Mr. Murbles.
»Schlau, sehr schlau, Ha!« fügte Mr. Towkington hinzu.
»Aber wie Sie wissen, beruht diese ganze Theorie von Ihnen auf der Annahme, daß Mary Whittaker über das neue Gesetz und seine möglichen Konsequenzen bereits im Oktober 1925 Bescheid gewußt hat, wie? Ha!«
»Es gibt keinen Grund, das Gegenteil anzunehmen«, sagte Wimsey. »Ich erinnere mich, schon ein paar Monate früher einen Artikel darüber gelesen zu haben, ich glaube im Evening Banner – also etwa um die Zeit, als das Gesetz gerade in der zweiten Lesung war. Dadurch bin ich überhaupt erst daraufgekommen – den ganzen Abend habe ich mich nämlich zu erinnern versucht, wo ich die Wendung vom ›Ende des lange verschollen gewesenen Erben‹ schon einmal gehört hatte. Mary Whittaker kann diesen Artikel doch auch gelesen haben.« »Nun, in diesem Falle hätte sie sich aber mit Sicherheit beraten lassen«, sagte Mr. Murbles. »Wer ist denn für gewöhnlich ihr Anwalt?«
Wimsey schüttelte den Kopf.
»Ich glaube nicht, daß sie den gefragt hätte«, wandte er ein.
»Jedenfalls nicht, wenn sie klug war. Sehen Sie, wenn sie ihn gefragt und von ihm die Antwort bekommen hätte, sie werde ihr Geld wahrscheinlich verlieren, wenn Miss Dawson kein Testament mache oder nicht vor Januar 1926 verscheide, wären doch dem Rechtsanwalt sicher Zweifel gekommen, wenn daraufhin die alte Dame ziemlich unerwartet im Oktober 1925 gestorben wäre. Sie sehen, das wäre zu gefährlich gewesen. Ich nehme eher an, daß sie zu einem Fremden gegangen ist und sich unter falschem Namen ganz unschuldig erkundigt hat.«
»Wahrscheinlich«, sagte Mr. Towkington. »Sie legen ein bemerkenswertes kriminelles Talent an den Tag, mein Lieber, wie?«
»Nun, wenn ich es auf so etwas anlegte, würde ich entsprechende Vorsichtsmaßnahmen ergreifen«, antwortete Wimsey. »Es ist natürlich wunderschön, was für dämliche Sachen die Herren Mörder manchmal so machen, aber von Miss Whittakers Intelligenz habe ich die allerhöchste Meinung. Ich wette, sie hat ihre Spuren sehr schön getarnt.«
»Meinst du nicht, Mr. Probyn könnte das Problem erwähnt haben?« meinte Parker. »Damals, als er dort war, um Miss Dawson zu einem Testament zu bewegen.«
»Das glaube ich nicht «, entgegnete Wimsey mit Nachdruck. »Aber ich
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