Lord Peter 03 - Keines natürlichen Todes
bin ziemlich sicher, daß er versucht hat, es der alten Dame selbst zu erklären, nur hatte sie solche Angst vor dem bloßen Gedanken an ein Testament, daß sie ihn gar nicht erst hat zu Wort kommen lassen. Aber ich denke, der alte Probyn war zu gefuchst, um einer Erbin auf die Nase zu binden, daß sie die Taler nur bekommen konnte, wenn sie dafür sorgte, daß ihre Tante vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes aus dem Leben schied. Würden Sie das jemandem sagen, Mr. Towkington?«
»Nicht einmal, wenn ich’s wüßte«, meinte der Anwalt grinsend.
»Es wäre höchst unratsam«, pflichtete Murbles ihm bei.
»Jedenfalls können wir das leicht feststellen«, sagte Wimsey. »Probyn ist in Italien. Ich hatte eigentlich selbst vor, ihm zu schreiben, aber vielleicht sollten Sie das lieber machen, Murbles. Inzwischen werden Charles und ich uns überlegen, wie wir eventuell feststellen können, wer Miss Whittaker denn nun in dieser Angelegenheit aufgeklärt hat.«
»Du vergißt hoffentlich nicht«, bemerkte Parker trocken, »daß man zu einem Mord das dazugehörige Motiv gewöhnlich erst dann ergründet, wenn man sich zunächst vergewissert hat, daß überhaupt ein Mord begangen wurde. Bisher wissen wir lediglich, daß zwei qualifizierte Ärzte nach einer sehr sorgfältigen Autopsie übereinstimmend festgestellt haben, daß Miss Dawson eines natürlichen Todes gestorben sei.«
»Sag doch nicht immer wieder dasselbe, Charles. Das langweilt mich so. Du bist wie Poes Rabe, rührt sich nimmer, sitzt noch immer, sitzt noch immer, bis man ihm am liebsten die blasse Pallasbüste nachschmeißen möchte, um seine Ruhe zu haben. Warte, bis ich mein epochemachendes Werk erst veröffentlicht habe: Das Mörder-Vademecum oder 101 Arten, einen plötzlichen Tod herbeizuführen. Dann wirst du sehen, daß mit mir nicht gut Kirschen essen ist.«
»Ja, schon gut!« stöhnte Parker.
Am nächsten Tag aber suchte er den Chef von Scotland Yard auf und teilte ihm mit, daß er den Fall Dawson jetzt doch ernst zu nehmen geneigt sei.
15
Sankt Peters Versuchung
Pierrot: »Scaramel, ich fühle mich versucht.« Scaramel: »Gib der Versuchung stets nach.«
L. HOUSMAN: PRUNELLA
Als Parker aus dem Zimmer seines Vorgesetzten kam, fing ein Beamter ihn ab.
»Sie wurden von einer Dame am Telefon verlangt«, sagte er. »Ich habe ihr gesagt, sie möchte um halb elf wieder anrufen. Das ist gleich soweit.«
»Der Name?«
»Eine Mrs. Forrest. Worum es geht, wollte sie nicht sagen.« Seltsam, dachte Parker. Seine Ermittlungen in dieser Sache waren so unergiebig gewesen, daß Mrs. Forrest für ihn aus dem Fall Gotobed schon so gut wie ausgeschieden war – er hatte sie nur noch sozusagen in einer Schublade seines Gedächtnisses abgelegt, um später auf sie zurückzukommen. Voll Unbehagen fiel ihm ein, daß sie womöglich das Abhandenkommen eines ihrer Gläser bemerkt hatte und ihn dienstlich anrief. Mitten aus diesen Überlegungen heraus wurde er ans Telefon gerufen, um Mrs. Forrests Anruf entgegenzunehmen.
»Ist dort Kriminalinspektor Parker? – Entschuldigen Sie bitte die Störung, aber könnten Sie mir vielleicht Mr. Templetons Adresse geben?«
»Templeton?« fragte Parker, momentan nicht ganz im Bilde.
»Hieß er denn nicht Templeton – der Herr, der mit Ihnen bei mir war?«
»Ach ja, natürlich – bitte entschuldigen Sie – ich – das war mir einfach entfallen. Äh – Sie möchten seine Adresse haben?«
»Ich habe Neuigkeiten für ihn, über die er sich wahrscheinlich freuen wird.«
»Aha. Aber Sie können auch mit mir ganz offen sprechen, Mrs. Forrest.«
»Nicht ganz offen«, schnurrte die Stimme am anderen Ende der Leitung, »denn Sie sind ja immerhin eine Amtsperson. Ich würde lieber an Mr. Templeton persönlich schreiben und es ihm überlassen, sich mit Ihnen auseinanderzusetzen.«
»Verstehe.« Parkers Gehirn arbeitete schnell. Es konnte unangenehm werden, wenn Mrs. Forrest an »Mr. Templeton, 110 A Piccadilly« schrieb. Womöglich wurde der Brief nicht zugestellt. Oder wenn es der Dame einfallen sollte, ihn zu besuchen, um festzustellen, daß ein Mr. Templeton dem Hausmeister nicht bekannt war, bekam sie es womöglich mit der Angst und behielt ihre kostbaren Informationen für sich.
»Ich weiß nicht«, sagte Parker, »ob ich Ihnen Mr. Templetons Adresse geben darf, ohne ihn erst zu fragen. Aber Sie könnten ihn ja anrufen –«
»O ja, das ginge auch. Steht er im Telefonbuch?«
»Nein – aber ich kann Ihnen seine Privatnummer
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